Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche. keine Anwendbarkeit des § 41a SGB 2 auf vor dem 1.8.2016 beendete Bewilligungszeiträume. Mehrbedarf für Alleinerziehende. Aufteilung bzw Halbierung bei Kinderbetreuung im Wechselmodell durch die getrennt lebenden Eltern

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 41a SGB II findet mit Ausnahme des Abs 5 auf die Bewilligungszeiträume, die vor dem 1.8.2016 bereits beendet waren, keine Anwendung (Festhaltung an SG Dresden vom 11. Januar 2018 - S 52 AS 4077/17 -, juris).

2. Eine temporäre Bedarfsgemeinschaft besteht in der Regel für jeden Tag, an dem der Hilfebedürftige sich länger als zwölf Stunden in dieser Bedarfsgemeinschaft aufhält (Anschluss an BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 13 und vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 35). Der Leistungsträger muss die Dauer des Aufenthaltes von Amts wegen ermitteln.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.07.2019; Aktenzeichen B 14 AS 23/18 R)

 

Tenor

I. Der Widerspruchsbescheid vom 09.09.2016 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern für den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2015 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines hälftigen Mehrbedarfs für Alleinerziehung für den Kläger zu 1) unter weiterer Leistungsgewährung für die Kläger zu 2) und 3) für je einen weiteren Tag pro Monat und unter Berücksichtigung des tatsächlichen monatlichen Einkommens des Klägers zu 1) für jeden Leistungsmonat zu gewähren.

II. Der Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des endgültigen Leistungsanspruchs der Kläger nach dem SGB II für den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2015 und dabei insbesondere um den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehung für den Kläger zu 1 und die Höhe der Leistungen für die Kläger zu 2 und 3 abhängig von ihrer Aufenthaltsdauer beim Kläger zu 1.

Der 1981 geborene, in A... lebende und erwerbsfähige Kläger war im streitbefangenen Zeitraum als Reha-Trainier und Servicekraft für das e-Fitnessstudio und als Kursleiter für das Therapiezentrum K. W. tätig. Er bezog hierbei monatlich schwankendes Arbeitseinkommen.

Bei W. verdiente der Kläger monatlich 297 € brutto, netto flossen zu:

- im Januar 2015 260,42 €

- Februar bis Juni 2015 jeweils mtl. 297 €

Bei e verdiente der Kläger (Zufluss)

- im Januar 2015 brutto: 462 € (netto: 407,75 €),

- im Februar bis Juni 2015 jeweils mtl. brutto: 467,50 € (netto: 413,92 €).

Der Kläger hatte nicht unerhebliche Strecken zurückzulegen, um zu seinen Arbeitsstätten zu gelangen. Hinsichtlich der einzelnen Wegstrecken nimmt das Gericht Bezug auf die Darstellung im Widerspruchsverfahren durch den klägerischen Schriftsatz vom 16.07.2015, Bl. 247 bis 269 der Verwaltungsakte des Beklagten Bd. IV.

Der Kläger zahlte monatlich 36,41 € für eine KFZ-Haftpflichtversicherung und 8,42 € Beiträge zu einer Riester-Rente.

Im streitbefangenen Zeitraum wohnte der Kläger gemeinsam mit seinen beiden Söhnen N... A... und T... A..., geboren am ... 2003 und 2005. Die beiden Söhne hielten sich im Rahmen eines 14-tägigen Wechselmodells abwechselnd beim Kläger und bei der Kindsmutter, der inzwischen vom Kläger geschiedenen L..., auf. Die Kinder hielten sich im streitbefangenen Zeitraum jeweils 14 Tage beim Kläger und bei der Kindsmutter auf. Der Wechsel erfolgte jeweils sonntags, 14:00 Uhr. Von im Einzelfall abweichenden Vereinbarungen, wie z. B. Teilnahme an Geburtstagsfeiern und dergleichen abgesehen, haben die Eltern sich strikt an das vereinbarte 14-tägige Wechselmodell gehalten und sich die Erziehung der Kinder genau hälftig geteilt.

Konkret hielten sich die Kläger zu 2 und 3 an folgenden Tagen beim Kläger zu 1 komplett bzw bis 14:00 Uhr auf: 05.01.2015 bis 18.01.2015, 02.02. bis 15.02., 02.03. bis 15.03., 30.03. bis 12.04., 27.04. bis 10.05., 25.05. bis 07.06. und 28.06. bis 30.06.

Während des Aufenthalts der Söhne bei der Kindsmutter oder dem Kläger war die Kindsmutter oder der Kläger jeweils allein verantwortlich für Erziehung, Versorgung, Ausstattung mit Kleidung und dergleichen.

Im streitbefangenen Zeitraum verfügten der Kläger und seine Söhne über ein Barvermögen, das geringer als 10,00 € war.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seinen Söhnen mit Bescheid vom 15.12.2014 vorläufig Arbeitslosengeld II und Sozialgeld. Der Kläger hatte am 18.11.2014 Fortsetzungsantrag für sich und seine Söhne gestellt. Mit Schriftsatz vom 14.01.2015, beim Beklagten einen Tag später eingegangen, widersprach der Kläger durch seine Bevollmächtigte. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2016 setzte der Beklagte die Leistungen endgültig fest und wies die Widerspruch im Übrigen zurück. Keine Leistungen gewährte der Beklagte dabei für die Kläger zu 2 und 3 für die Tage 18.01., 15.2., 15.3., 12.4., 10.5. und 7.6.15. Die von den Eltern angegeben An- und Abreisetage seien bei der Berechnung nicht zu berücksichtig...

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