Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Kostenerstattung gem § 264 Abs 7 SGB 5. Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers

 

Orientierungssatz

1. Bei Leistungen, die der Träger der Sozialhilfe im Rahmen des § 264 Abs 7 SGB 5 an die Krankenkasse erstattet, handelt es sich um Leistungen der Sozialhilfe.

2. Die Regelung des § 264 Abs 7 SGB 5 ist nicht lex specialis gegenüber den Vorschriften der § 105 SGB 10, § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB12AGAV NW iVm § 97 Abs 2 SGB 12 bzw § 100 Abs 1 Nr 1 BSHG. Im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfeleistungen in § 264 Abs 7 SGB 5 wird keine abschließende Kostenentscheidung getroffen, sondern es findet vielmehr eine Kostenerstattung zwischen den Krankenkassen und den für die Hilfe zuständigen Trägern statt (Anschluss an LSG Essen vom 19.4.2007 - L 9 SO 5/06).

3. Die Zuständigkeit, die durch die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt begründet wurde, bleibt nicht bestehen, wenn sich die Hilfeart ändert; das BSHG bzw SGB 12 regelt insoweit eindeutig, dass für die einzelnen Leistungsarten unterschiedliche Zuständigkeiten bestehen. Dem § 264 Abs 7 SGB 5 ist nicht zu entnehmen, dass die zuerst begründete Zuständigkeit bestehen bleibt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.10.2008; Aktenzeichen B 8 SO 23/07 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligen streiten über die Erstattung von Kosten für die stationäre Behandlung des Hilfeempfängers U L.

Der ... 1963 geborene U L erhielt bis zum 31.12.2004 von der Stadt H Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Ein Krankenversicherungsschutz bestand für den Hilfeempfänger nicht. Zum 26.01.2004 erfolgte durch die Stadt H bei der AOK W die Anmeldung als Betreuungsfall nach § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Mit Wirkung zum 16.06.2004 akzeptierte die Krankenkasse die Anmeldung. Der Hilfeempfänger befand sich in der Zeit vom 09.08. bis zum 21.09.2004 in den W Kliniken G. Die Aufnahme- und Entlassungsdiagnose lautete ausweislich der Schreiben der Klinik vom 15.06.2004 und 26.08.2004 paranoide Schizophrenie. Für die stationäre Behandlung stellte die AOK W unter dem 27.04.2005 dem Kläger Leistungsaufwendungen in Höhe von 9.860,42 € in Rechnung, die von ihm gezahlt wurden.

Mit Schreiben vom 24.10.2005 und 08.03.2006 forderte der Kläger den Beklagten zur Kostenerstattung auf. Der Aufforderung kam der Beklagte nicht nach.

Der Kläger hat am 10.08.2006 Klage erhoben und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, bei den Kosten für den stationären Aufenthalt des Hilfeempfängers habe es sich um Leistungen der Eingliederungshilfe gehandelt. Leistungsträger für diese Leistung könne wegen der fehlenden Kranken- und Rentenversicherung des Betreffenden nur der Träger der Sozialhilfe sein. Hier liege die sachliche Zuständigkeit bei dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe, also dem Beklagten. Wie das Sozialgericht Detmold bereits entschieden habe, handele es sich bei den Leistungen, die der Träger der Sozialhilfe im Rahmen des § 264 Abs. 7 SGB V an die Krankenkasse erstatte, um solche der Sozialhilfe (SG Detmold, Urteil vom 13.06.2006, Az.: S 6 SO 144/05). Der Beklagte habe sich dieser Auffassung in seinem Rundschreiben vom 17.07.2006 angeschlossen und auf Einlegung der Berufung verzichtet. Soweit er in diesem Rundschreiben auf das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.02.2006 (Az.: S 37 SO 228/05) verweise, sei dem nicht zu folgen. Die dort vertretene Rechtsauffassung führe lediglich zu der Erkenntnis, dass der zur Tragung der Krankenkosten Verpflichtete auch der zur Erstattung der von der Krankenkasse verauslagten Krankenbehandlungskosten Verpflichtete sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Keinesfalls könne aber aus dem Urteilswortlaut geschlossen werden, dass der zur Tragung der Krankheitskosten Verpflichtete auch verpflichtet sein solle, die Kosten der Eingliederungshilfe zu tragen. Die Einrichtung habe diese Leistungen zunächst mit der Krankenkasse abgerechnet, diese diene aber nur als Abrechnungsstelle und fungiere nicht als Leistungsträger, da durch die Anmeldung zur Betreuung nach § 264 Abs. 2 SGB V keine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung entstehe. Innerhalb des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung des SGB V erfolge keine Differenzierung zwischen den Leistungsarten der Hilfen zur Gesundheit und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Dies führe zu einem Bruch in den weiteren Rechtsfolgen, denn nach § 264 Abs. 7 SGB V sei der für die Hilfe zuständige Sozialhilfeträger zur Übernahme der Aufwendungen für die Krankenbehandlung verpflichtet. Hier sei der Leistungsberechtigte allerdings nicht als kranker, sondern als behinderter Mensch behandelt worden. Es handele sich daher nicht um die Kosten für die Krankenbehandlung, sondern um Aufwendungen der medizinischen Rehabilitation im Rahmen der Eingliederungshilfe. Der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 105 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), mindestens aber aus § 102...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge