Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Kostenerstattung für erbrachte Sozialhilfeleistungen durch den Erben des Leistungsempfängers

 

Orientierungssatz

1. Nach § 102 Abs. 1 S. 1 SGB 12 ist der Erbe der leistungsberechtigten Person zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. § 102 SGB 12 erfasst dabei nur rechtmäßig gewährte Leistungen der Sozialhilfe. Entscheidend ist das materielle Recht; reine Formvorschriften sind ohne Bedeutung (BSG Urteil vom 23. 3. 2010, B 8 SO 2/09 R).

2. Eine Kostenerstattungspflicht ist ausgeschlossen, wenn die Sozialhilfegewährung rechtswidrig war. Die Gewährung von Sozialhilfe setzt u. a. Bedürftigkeit voraus. Einzusetzen ist nach § 90 Abs. 1 SGB 12 das gesamte verwertbare Vermögen.

3. Unterliegt eine Eigentumswohnung des Sozialhilfeempfängers keinem Schonvermögenstatbestand i. S. von § 90 Abs. 2 SGB 12 und stellt deren Verwertung keine besondere Härte i. S. des § 90 Abs. 3 SGB 12 dar, so war der Sozialhilfeempfänger nicht bedürftig. Damit ist eine Kostenerstattung durch den Erben ausgeschlossen, weil es an der Tatbestandsvoraussetzung der rechtmäßig gewährten Leistung fehlt.

 

Tenor

1. Der Bescheid v. 18.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 29.08.2011 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Forderung eines Kostenersatzes von Erben für erbrachte Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch - (SGB XII).

Der im Jahr 1956 geborene F. A. besuchte ab dem 01.01.2006 die Tagesstätte für Menschen mit seelischer Behinderung des Sozialpsychiatrischen Vereins Kreis A-Stadt e.V. Beim Beklagten wurde am 29.12.2005 die Übernahme der Kosten beantragt. Durch Bescheid vom 23.03.2006 erklärte dieser die Kostenübernahme für den Zeitraum 01.01.2006 – 31.12.2007. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung des F. A. führte der Beklagte nicht durch.

Auf entsprechenden Antrag hin wurde die Kostenübernahme durch Bescheid vom 15.11.2007 bis zum 31.12.2009 verlängert. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung fand wiederum nicht statt. Eine weitere Verlängerung wurde durch Bescheid vom 07.01.2010 für die Zeit bis zum 31.12.2011 erklärt.

Am xx.xx.2010 verstarb F. A. Der Beklagte stellte daraufhin Nachforschungen zu seinem Nachlass an und erhielt vom zuständigen Nachlassgericht die Auskunft, dass er insbesondere über Grundvermögen verfügt hatte. Der Nachlasswert wurde vom Nachlassgericht mit insgesamt 357.000 € angegeben. Erben wurden laut Erbschein vom 08.12.2010 seine Mutter C. A. sowie die drei Geschwister G., D. und E. A.

Bei dem Grundvermögen handelte es sich zum einen um das von F. selbst mitbewohnte Haus in der A-Straße in A-Stadt, zum anderen jedoch auch um eine Eigentumswohnung in dem Anwesen in der H-Straße in H-Stadt nebst hälftigem Miteigentum an dem zugehörigen Grundstück. Anderer Miteigentümer und Alleineigentümer der zweiten Eigentumswohnung in dem Anwesen war sein Bruder G. A.. F. A. hatte seine Eigentumswohnung fremdvermietet und erzielte während des Leistungsbezugs entsprechende Mieteinkünfte. Das Haus war von den Brüdern im Jahr 1994 für 700.000 DM gemeinsam gekauft worden. Zu diesem Zwecke hatte F. Kredite bei der J-Bank J-Stadt i.H.v. 2 x 25.000 und 1 x 10.000 DM aufgenommen. Diese Darlehen wurden bereits vor etlichen Jahren – der genaue Zeitpunkt ist unklar – getilgt. Laut Schreiben der J-Bank vom 07.09.2016 und 06.10.2016 gibt es infolge des Ablaufs der zehnjährigen Aufbewahrungsfristen keine Kontoauszüge zu diesen Darlehen mehr.

Durch Bescheid v. 18.01.2011 forderte der Beklagte von der Mutter C. A. Kostenersatz aus dem Nachlass für die an F. erbrachten Sozialhilfeleistungen i.H.v. Insgesamt 52.795,69 €. Beigefügt waren Aufstellungen über die Anwesenheit F.s in der Tagesstätte sowie der hierfür angefallenen Betreuungs- und Fahrtkosten. Nachdem der Bescheid zunächst wegen der Nennung eines falschen Namens nicht zuging, übersandte der Beklagte ihn am 09.02.2011 nochmals.

Am 14.02.2011 legte C. A. Widerspruch ein und beanstandete die vorgelegten Aufstellungen und Berechnungen. Zudem teilte sie mit, ihrem Sohn F. sei seitens des Sozialpsychiatrischen Vereins damals die Auskunft gegeben worden, dass eine Kostenpflicht für ihn nicht bestehe. Daraufhin erging am 29.08.2011 ein Teilabhilfebescheid, mit dem der Beklagte nunmehr nur noch Kostenersatz i.H.v. 50.740,38 € forderte. Im Übrigen wies er den Widerspruch jedoch sinngemäß zurück. Es treffe zwar zu, dass von dem Leistungsberechtigten selbst in Fällen wie dem vorliegenden zu dessen Lebzeiten kein Einsatz seines Einkommens und Vermögens verlangt werde. Dies lasse jedoch die mögliche Verpflichtung der Erben unberührt.

C. A. hat am 14.09.2011 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Frau A. ist am xx.xx.2011 ebenfalls verstorben. Das Verfahren ist daraufhin von den jetzigen Klägern aufgenommen worden, die gemäß Erbschein vom 11.04.2012 deren Erben sind.

Die Kläger tragen vor, die vom Beklagten zugrunde gelegten Kosten der Sozialhilfe seien unz...

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