Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenersatz durch Erben. Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung. Eingliederungshilfe. Ausschluss des Vermögenseinsatzes. keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. unwirksamer Verzicht im Rahmenvertrag nach § 79 Abs 1 SGB 12

 

Orientierungssatz

1. Eine Verpflichtung zum Ersatz von Kosten der Sozialhilfe nach § 102 Abs 1 S 1 SGB 12 kommt nur in Betracht, wenn die leistungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Sozialhilfe vorgelegen haben (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R = SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 16).

2. Selbst wenn es sich bei einer Tagesstätte für Menschen mit seelischer Behinderung um eine besondere teilstationäre Einrichtung für behinderte Menschen handelt, in der auch Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten erbracht werden, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, so kommt es für den Ausschluss des Vermögenseinsatzes nach § 92 Abs 2 S 1 Nr 8 iVm § 92 Abs 2 S 2 SGB 12 darauf an, ob im konkreten Fall an den Hilfebedürftigen derartige Leistungen erbracht wurden.

3. Auch Nr 8 der Anlage 7 “Vereinbarung Beschäftigung und Betreuung von Menschen mit seelischer Behinderung in Tagesstätten in Hessen„ zum Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs 1 SGB 12, wonach bei Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft an seelisch behinderte Menschen durch Tagesstätten auf den Einsatz des Einkommens bzw Vermögens verzichtet wird, kann nicht die Rechtmäßigkeit einer Nichtberücksichtigung von Vermögen herstellen.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. April 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Forderung eines Kostenersatzes von Erben für erbrachte Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der im Jahr 1956 geborene F. A. besuchte ab dem 1. Januar 2006 die Tagesstätte für Menschen mit seelischer Behinderung des GX. Vereins Kreis A-Stadt e.V. Ab 2. Januar 2001 war ein GdB von 70 festgestellt worden. Ausweislich der vom GX. Verein Kreis A-Stadt e.V. gefertigten Entwicklungsberichte war F. A. leicht geistig behindert; er zeigte Auffälligkeiten in seinem Sozialverhalten, die Interventionen erforderlich machten. Beim Beklagten wurde am 29. Dezember 2005 die Übernahme der Kosten durch den GX. Verein Kreis A-Stadt e.V. beantragt, mit am 1. März 2006 beim Beklagten eingegangenem Formular durch F. A. selbst. Dem Antrag lag eine ärztliche Befürwortung durch Dr. H., Institutsambulanz der W.-Klinik R. vom 10. März 2006 zu Grunde, nach der krankheits- bzw. behinderungsbedingt der Zugang zum Arbeitsleben bzw. einer Werkstatt für behinderte Menschen oder andere rehabilitative Einrichtungen nicht möglich sei. Befürwortet werde die Teilnahme an der “teilstationären/tagesstrukturierenden Maßnahme nach § 40 Abs. 1 Nr. 8„ Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Durch Bescheid vom 23. März 2006 erklärte der Beklagte die Kostenübernahme für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung des F. A. führte der Beklagte nicht durch. Auf einen entsprechenden Antrag hin wurde die Kostenübernahme durch Bescheid vom 15. November 2007 bis zum 31. Dezember 2009 verlängert. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung fand wiederum nicht statt. Eine weitere Verlängerung wurde durch Bescheid vom 7. Januar 2010 für die Zeit bis zum 31. Dezember 2011 erklärt. In den Verlängerungsanträgen und den beigefügten, von Diplom-Sozialpädagogen gefertigten Entwicklungsberichten wurde stets hervorgehoben, dass die Teilnahme am tagesstrukturierenden Angebot in erheblichem Maße zur Milderung der Folgen der seelischen Behinderung und zur Eingliederung in die Gemeinschaft beitrage. Eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt sei nicht mehr möglich.

Am xx. xxx 2010 verstarb F. A. Der Beklagte stellte daraufhin Nachforschungen zu seinem Nachlass an und erhielt vom zuständigen Nachlassgericht die Auskunft, dass er insbesondere über Grundvermögen verfügt hatte. Der Nachlasswert wurde vom Nachlassgericht mit insgesamt 357.000 € angegeben. Erben wurden seine Mutter C. A. sowie die drei Geschwister A. A., D. D. und E. A.

Bei dem Grundvermögen handelte es sich zum einen um das von F. A. selbst mitbewohnte Haus in der A-Straße in A-Stadt, zum anderen jedoch auch um eine Eigentumswohnung in dem Anwesen in der J-Straße in J-Stadt nebst hälftigem Miteigentum an dem zugehörigen Grundstück. Anderer Miteigentümer und Alleineigentümer der zweiten Eigentumswohnung in dem Anwesen war sein Bruder A. A. F. A. hatte seine Eigentumswohnung fremdvermietet und erzielte während des Leistungsbezugs entsprechende Mieteinkünfte. Das Haus war von den Brüdern im Jahr 1994 für 700.000 DM gemeinsam gekauft worden. Zu diesem Zwecke hatte F. A. Kredite bei der K-bank K-Stadt eG (ursprünglich K-bank A-Stadt eG) i.H.v. 2 ...

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