Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstellung der Rentenzahlung an Bewohner der Colonia Dignidad wegen nicht sichergestelltem Zufluß

 

Orientierungssatz

Weder § 2 Abs 2 noch § 17 Abs 1 Nr 1 SGB 1 enthalten eine Ermächtigungsgrundlage für die Einstellung einer Rentenzahlung an einen Bewohner der Colonia Dignidad in Chile.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.01.2001; Aktenzeichen B 4 RA 48/99 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer "einstweiligen" Nichtgewährung eines festgestellten Altersruhegeldes.

Die 1930 geborene Klägerin lebt seit 1989 als deutsche Staatsangehörige auf dem Gelände der "S B y E D" (der sog. Colonia Dignidad -- CD --) in der Gemeinde P in Chile. Im Oktober 1990 beantragte sie von dort aus bei der Beklagten die Gewährung eines Altersruhegeldes für weibliche Versicherte wegen Vollendung des 60. Lebensjahres.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 1991, der Klägerin zugegangen am 26. Dezember 1991, teilte die Beklagte dieser mit, es bestünden Zweifel, ob die Klägerin die Voraussetzungen für den Rentenempfang erfülle. Sie -- die Beklagte -- wolle daher prüfen, ob ihr die Rente tatsächlich zufließe. Die Klärung dieser Frage sei nur in einem persönlichen Gespräch mit der Klägerin möglich, zu dem diese nach § 61 SGB I verpflichtet sei. Die Beklagte bot der Klägerin in dem Schreiben an, diese am 15. Januar 1992 ab 10.00 Uhr zu Hause auf dem Gelände der CD zu besuchen. Weiter führte die Beklagte aus, sie sehe sich gezwungen, die beantragte Rentenzahlung vorläufig zu versagen, wenn die Klägerin zu diesem Gespräch nicht bereit sein sollte. Ergänzend verwies die Beklagte auf den im Wortlaut beigefügten §§ 66 SGB I.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 1991 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie bitte um Namensnennung des Gesprächsteilnehmers und führte weiter aus, das Gespräch könne dann in S, stattfinden. Mit weiteren Schreiben bat sie um eine entsprechende Konkretisierung und Aufklärung über die Hintergründe des Gesprächsersuchens der Beklagten auf dem Gelände der CD.

Am 15. Januar 1992 reisten Vertreter der Beklagten zur Durchführung des beabsichtigten Gespräches mit der Klägerin an, das jedoch nicht stattfand. Ein Gespräch in Santiago am Folgetag wurde von dem Bevollmächtigten der Klägerin abgelehnt.

Mit Bescheid vom 28. Februar 1992 versagte die Beklagte die beantragte Rentenzahlung "gemäß § 66 SGB I vorläufig". Zur Begründung führte sie unter anderem aus, die Klägerin habe die ihr angebotenen Gelegenheiten zu einem persönlichen Gespräch nicht wahrgenommen. Im Hinblick auf die erheblichen Zweifel an der freien Willensbestimmung der Bewohner der CD sehe sie -- die Beklagte -- keine andere Möglichkeit, als bis zur Klärung der Frage, ob der Klägerin die Rente auch tatsächlich zufließen werde, die beantragte Leistung zu versagen. Sie werde die Rentenzahlung unverzüglich aufnehmen und Nachzahlungsbeträge anweisen, sobald die Berechtigung der Klägerin zum Bezug der Rente durch ein persönliches Gespräch mit ihr festgestellt werden könne.

Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 1992 zurück, wobei sie ihre in dem Ablehnungsbescheid dargelegte Rechtsansicht bekräftigte. Ergänzend verwies sie auf die Anhörung des Unterausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages vom 22. Februar 1988, wonach erhebliche Zweifel aufgetreten seien, ob den Bewohnern der CD die Rente tatsächlich zufließe oder diese wirksam abgetreten worden sei. Die Klärung dieser Zweifel sei angesichts der Verdachtsmomente nur in einem persönlichen Gespräch mit der Klägerin möglich. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten insoweit nicht nachgekommen und habe nicht zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Ein milderes Mittel, die Klägerin zur Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtungen zu bewegen, stehe nicht zur Verfügung.

Bereits zuvor hatte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. August 1992 einen weiteren Gesprächstermin am 6. Oktober 1992 in Ch vorgeschlagen. Auch dieses Gespräch fand nicht statt.

Auf den am 24. September 1992 abgesandten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin in der Folge am 26. Oktober 1992 Klage bei dem Sozialgericht Berlin eingereicht, mit der sie sich zunächst gegen die Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28. Februar 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1992 gewendet hat.

Sie trägt zur Begründung weiter vor, die Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt. Sie würde die Rente tatsächlich erhalten und beabsichtige auch nicht, diese abzutreten. Im übrigen stünden banktechnische Mittel zur Verfügung, die Auszahlung der Rente an sie unmittelbar sicherzustellen. Daß der auf den 6. Oktober 1992 anberaumte Gesprächstermin ergebnislos verlaufen sei, habe sie nicht zu vertreten. Nunmehr habe sie durch die Teilnahme am Rentensprechtag vom 19. Oktober 1994 in Ch ihrer Mitwirkungspflicht genügt. Die beantragte Rente sei daher unverzüglich anzuweisen und über ...

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