Leitsatz (amtlich)

  • Die Versagung der Zulassung einer Weiterbildungsmaßnahme nach § 85 SGB III in der Fassung ab 1. Januar 2003 ist ein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X.
  • Sind die Voraussetzungen nach §§ 84, 85 SGB III erfüllt, besteht ein Anspruch auf Zulassung. Die fachkundige Stelle hat kein Ermessen bei ihrer Entscheidung.
  • Zur Entscheidung über das Tatbestandsmerkmal, ob eine Maßnahme nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 2 SGB III nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist, hat die fachkundige Stelle bzw. die Bundesagentur für Arbeit, wenn sie als fachkundige Stelle entscheidet, keinen gerichtlich nicht voll nachprüfbaren Beurteilungsspielraum. Vielmehr handelt es sich bei diesem Tatbestandsmerkmal um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff.
  • Eine fachkundige Stelle als privater, mit hoheitlichen Befugnissen beliehener Entscheidungsträger besitzt nicht die für gerichtlich nicht voll nachprüfbare Entscheidungen erforderliche personelle demokratische Legitimation durch eine lückenlose Legitimationskette im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG.
  • Eine Maßnahme erscheint als nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig, wenn die Maßnahme auf eine berufliche Tätigkeit vorbereitet, für die innerhalb angemessener Zeit auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt voraussichtlich nicht nur unerhebliche bedarfsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind. Eine Unzweckmäßigkeit ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich die Dauer der voraussichtlichen Arbeitssuche im Rahmen der durchschnittlichen Vermittlungsdauer anderer Arbeitsloser bewegt.
  • Für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes ist maßgebend, wie die Beschäftigungssituation und deren bisherige und künftige Entwicklung auf Grund der objektiv verfügbaren Daten zur Zeit der zu treffenden Entscheidung zu bewerten war.
 

Tenor

  • Es wird festgestellt, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27. Februar 2003 – … – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2003 rechtswidrig ist.
  • Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
  • Die Berufung wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Zulassung einer Weiterbildungsmaßnahme.

Die Klägerin betreibt unter anderem eine 1990 gegründete, staatlich anerkannte Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung in Berlin.

Am 24. Oktober 2002 wandte sie sich an die Beklagte und reichte Unterlagen für die Anerkennung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme ein. Es handelte sich um das Modellprojekt “staatlich geprüfte kaufmännische Assistentin – Fachrichtung Fremdsprachen” als Teilzeitangebot mit einer Wochenstundenzahl von 25. Die Maßnahme sollte für den Zeitraum vom 3. März 2003 bis 31. Oktober 2005 durchgeführt werden. Gegenüber der Klägerin hatte die Beklagte die Durchführung einer solchen Maßnahme angeregt, um insbesondere (alleinerziehende) Mütter ohne Ausbildungsabschluss besser in den Teilzeitarbeitsmarkt integrieren zu können. Das Landesschulamt erteilte für diese Maßnahme die erforderliche Ausnahmegenehmigung. Der Weiterbildungsmaßnahme sollte eine einmonatige Trainingsmaßnahme vorgeschaltet sein.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2003 verpflichtete sich die Klägerin zu gewährleisten, dass 70 Prozent der Teilnehmerinnen nach Beendigung der Maßnahme im Rahmen der Verbleibsbeobachtung in den Arbeitsmarkt integriert werden würden. Die Beklagte bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 20. Januar 2003 das überbehördliche Interesse an der Maßnahme. Die Maßnahme werde von allen Berliner Arbeitsämtern und den Beauftragten für Frauenbelange unterstützt. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 9 der Akte S 70 AL 1354/03 ER Bezug genommen.

Die vorgeschaltete Trainingsmaßnahme (…) wurde im Februar 2003 planmäßig mit 24 Teilnehmerinnen durchgeführt.

Die Beklagte versagte mit Schreiben vom 27. Februar 2003 die Anerkennung der Weiterbildungsmaßnahme. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, dass die Zulassung von Weiterbildungsmaßnahmen und die Ausgabe von Bildungsgutscheinen eine prognostizierte Verbleibsquote von mindestens 70 Prozent voraussetze. Die Prüfung habe ergeben, dass die Maßnahme diesen Erfordernissen nicht entspreche. Etwaige Teilnehmer hätten kaum Chancen zur anschließenden Aufnahme einer Tätigkeit. Eine Verbleibsquote von 70 Prozent sei nicht prognostizierbar.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 28. Februar 2003. Bei dem Schreiben vom 27. Februar 2003 handele es sich um einen Verwaltungsakt. Die Klägerin habe Anspruch auf Zulassung. Die Maßnahme entspreche den gesetzlichen Voraussetzungen. Die Klägerin erziele durchschnittliche Verbleibsquoten von 78 Prozent, in keinem Fall unter 70 Prozent. Die Durchführung der Vormaßnahme, das Schreiben der Beklagten vom 20. Januar 2003 und die realistische Selbstverpflichtung der Klägerin vom 8. Januar 2003 würden die Zw...

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