Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens. Verjährung. regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Gewährung des Darlehens durch Verwaltungsakt. Hemmung der Verjährung des Rückzahlungsanspruchs. Verjährungsfrist von 30 Jahren

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Darlehen (hier: Kautionsdarlehen) nicht nur vertraglich, sondern auch durch Bescheid gewährt, stellt letzterer einen Bescheid zur Feststellung des Darlehensrückzahlungsanspruch des darlehensgebenden Jobcenters iS des § 52 Abs 1 SGB X mit der Folge des § 52 Abs 2 SGB X (Verjährungsfrist von 30 Jahren ab Bestandskraft) dar.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG Berlin-Potsdam: L 18 AS 1078/23

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie ein ihr vom Beklagten gewährtes Kautionsdarlehen nicht zurückzahlen muss.

Die 1950 geborene Klägerin stand 2010 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Sie mietete zum 01.04.2010 nach entsprechender Zusicherung zu den Aufwendungen durch den Beklagten eine Wohnung in der S. Straße … in … Berlin an (Mietvertrag vom 27./28.03.2010 mit den Zeugen B.). Nach dem Mietvertrag hatte die Klägerin eine Kaution von drei Nettokaltmieten (insgesamt 870,00 €) zu zahlen.

Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 31.03.2010 entsprechend ein Darlehen. In dem Bescheid heißt es wörtlich: „Die Rückzahlung des Darlehens wird mit Beendigung des Mietverhältnisses oder mit Beendigung der Hilfebedürftigkeit - mutmaßlich mit Ablauf des bewilligten Leistungsabschnitts - (nach Beendigung des Bezuges von ALG II) fällig. Maßgeblich ist hierbei das Ereignis, welches in zeitlicher Hinsicht als Erstes eintritt. Über die Rückzahlungsmodalitäten werden Sie zu gegebener Zeit ein gesondertes Schreiben des Forderungseinzugs der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg erhalten. Bitte zahlen Sie vorab nicht ein. Bestandteil dieses Bescheides sind die Vereinbarungen im Darlehensvertrag und in der Abtretungserklärung vom 31.03.2010.“ Die Beteiligten schlossen zudem am 31.03.2010 einen Darlehensvertrag wegen der Kaution. Schließlich trat die Klägerin mit Erklärung ebenfalls vom 31.03.2010 ihren Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution gegenüber dem Vermieter unwiderruflich an den Beklagten ab.

Der Rentenversicherungsträger gewährte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer für die Zeit ab 01.03.2012. Mit Bescheid vom 09.09.2013 hob der Beklagte entsprechend bewilligte Leistungen ab 01.10.2013 auf.

Die Klägerin bezog in der Folge neben ihrer Erwerbsminderungsrente von ca. 10,00 € ergänzend Grundsicherungsleistungen vom Sozialhilfeträger.

Mit Schreiben vom 26.06.2014 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die „Mietkaution“ erst fällig werde, wenn die Klägerin aus der Wohnung ausziehe oder der Leistungsbezug beendet werde. Aus einem internen Vermerk ergibt sich, dass der Beklagte hinsichtlich der Rückforderung des Mietkautionsdarlehens eine Mahnsperre setzte.

Mit Schreiben vom 30.11.2017 erinnerte der Inkasso-Service bei der Agentur für Arbeit Recklinghausen der Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Inkasso-Service) an die Rückzahlung der Forderung aus dem Darlehensbescheid vom 31.03.2010 von 870,00 €.

Am 01.12.2017 zog die Klägerin aus der Wohnung, für die das Mietkautionsdarlehen gewährt worden war, aus und zog in ihre jetzige Wohnung. Mit Schreiben vom 11.12.2017 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, Ansprechpartner für die geltend gemachte Forderung sei der Vermieter bzw. die Verwaltung.

Mit Schreiben vom 29.12.2017 rechnete der Vermieter der Klägerin, die Zeugen B., gegenüber der Klägerin die Kaution ab. Danach wurde die Kaution (wegen vermeintlich erheblicher Schäden an der Mietwohnung) einbehalten.

Mit Schreiben vom 4.12.2018 mahnte der Inkassoservice erneut die Rückzahlung an und setzte eine Mahngebühr von 5,00 € fest. Mit Schreiben vom 02.05.2019 erfolgte die Ankündigung der Zwangsvollstreckung durch das Hauptzollamt über eine Forderung von insgesamt 875,00 €.

Die Klägerin hat am 21.05.2019 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 43 AS 5012/19 ER stellte der Beklagte die Forderung (erneut) ruhend.

Mit ihrer Klage vom 21.05.2019 begehrte die Klägerin zunächst die Feststellung, dass die Forderung von 875,00 € verjährt sei und im Übrigen gegen die Klägerin nicht geltend gemacht werden könne sowie die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin zurückzunehmen. Sie macht geltend, aufgrund der unwiderruflichen Abtretung die Kaution nicht selbst gegenüber dem Vermieter geltend machen zu dürfen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

festzustellen, dass der Anspruch des Beklagten auf Rückzahlung des mit Darlehensvertrag und -bescheid vom 31.03.2010 gewährten Darlehens von 870,00 € verjährt bzw. aus Treu und Glauben nicht durchsetzbar ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist insbesondere der Auffassung, der Darlehensrückforderungsanspruch unterliege einer 30-jährigen...

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