Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der Verfahrens- und Terminsgebühr bei einer Untätigkeitsklage. Untätigkeit in mehreren Verwaltungsverfahren. zwei Klagegegenstände. keine Erledigungsgebühr. Erledigung iSd Nr 1002 RVG-VV

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Normalfall einer Untätigkeitsklage mit zwei Klagegegenständen sind 50 vH der jeweiligen Mittelgebühren als billige Verfahrens- und Terminsgebühr anzusehen.

2. Bei Untätigkeitsklageverfahren kann eine Erledigungsgebühr nicht anfallen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 23. März 2009 (Az. S 4 R …./08) wird der Betrag der von der Erinnerungsgegnerin an die Erinnerungsführerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 291,55 EUR festgesetzt. Dieser Betrag ist ab dem 24. Oktober 2008 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Erinnerungsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsführerin zu 14 Prozent zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Erinnerungsführerin erhob, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, im August 2008 Untätigkeitsklage gegen die Erinnerungsgegnerin. Sie rügte darin die unterbliebene Entscheidung der Erinnerungsgegnerin über ihre Widersprüche vom 13.04.2004 und 31.03.2008. Der erste Widerspruch richtete sich gegen einen Rentenbescheid der Erinnerungsgegnerin, der zweite gegen einen Verzinsungsbescheid. Die Beklagte erklärte mit der Klageerwiderung vom Oktober 2008, dass durch Widerspruchsbescheid entschieden worden und die Klägerin bezüglich der Untätigkeit damit klaglos gestellt sei. Zugleich gab sie ein Kostengrundanerkenntnis ab.

Mit dem Schriftsatz vom 24. Oktober 2008, hier eingegangen am gleichen Tag, erklärte die Bevollmächtigte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte vorsorglich die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 618,80 Euro. Die Prozessbevollmächtigte berechnete die Kosten wie folgt:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG

250,00 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG

160,00 EUR

Erledigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV RVG

 90,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG

 98,80 EUR

Gesamtbetrag

 618,80 EUR.

Die Erinnerungsgegnerin erklärte sich nur zur Erstattung von Kosten in Höhe von 172,55 € bereit (125,00 € Verfahrensgebühr, 20,00 € Auslagenpauschale plus 27,55 € Umsatzsteuer).

Mit Beschluss vom 23. März 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die der Erinnerungsführerin zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 238,00 EUR fest. Dabei legte sie folgende Berechnung zugrunde:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG

100,00 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG

 80,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (19 %)

 38,00 EUR

Summe

238,00 EUR.

Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin aus, dass die Beträge für die Verfahrens- und Terminsgebühr unbillig hoch seien. Unter Verweis auf die Entscheidung des SG Berlin vom 02.02.2009 (Az. S 165 SF 11/09 E) seien bei Untätigkeitsklagen grundsätzlich nur 40 % der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr angemessen. Die Bemessung der fiktiven Terminsgebühr, die nach Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG aufgrund eines angenommenen Anerkenntnisses angefallen sei, habe sich nach der Bestimmung der Verfahrensgebühr zu richten. Die beantragte Erledigungsgebühr sei nicht entstanden, da Streitgegenstand lediglich der Erlass eines Verwaltungsakts und nicht dessen Anfechtung gewesen sei. Der Erlass des Verwaltungsakts sei zudem nicht zuvor abgelehnt worden, sondern die Erinnerungsgegnerin sei schlicht untätig gewesen.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung vom 16. April 2009, die hier am selben Tag eingegangen ist. Die Erinnerungsführerin meint, der Kostenfestsetzungsbeschluss sei rechtswidrig, soweit über den Verzinsungsantrag nicht entschieden und außerdem die Verfahrensgebühr willkürlich auf 100,00 € gekürzt worden sei. Es sei nicht bemerkt worden, dass die Untätigkeit in gleich zwei Widerspruchsverfahren gerügt worden sei. Die mit jeder Untätigkeitsklage steigende Bedeutung sei nicht angemessen gewürdigt worden. Die Erinnerungsgegnerin verschleppe als “Wiederholungstäterin„ seit Jahren gewohnheitsmäßig alle Angelegenheiten in ihrem Fall.

Die Erinnerungsgegnerin hat zunächst selbst Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt, diese aber im Juni 2009 zurückgenommen.

II.

Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 291,55 € laut nachstehender Berechnung festzusetzen:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG

125,00 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG

100,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (19 %)

 46,55 EUR

Summe

291,55 EUR.

Die zulässige Erinnerung vom 16.04.2009 ist zum Teil begründet. Die beantragte Verzinsung war auszusprech...

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