Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Untätigkeitsklage. Bescheidung eines Widerspruchs gegen einen im Kostenerstattungsverfahren ergangenen Mahngebührenbescheid. Verfahrensgebühr. Gebührenrahmen. fiktive Terminsgebühr. Entstehen. Höhe

 

Orientierungssatz

1. Bei der Feststellung des anzuwendenden Gebührenrahmens für die Verfahrensgebühr bei Untätigkeitsklagen setzen die Kostenkammern des SG Berlin (seit den Musterbeschlüssen - S 164 SF 12/09 E - vom 21.1.2009 und - S 165 SF 11/09 E - vom 2.2.2009) grundsätzlich den Gebührenrahmen der Nr 3102 RVG-VV an: Eine (verminderte) Gebühr nach Nr 3103 RVG-VV kann im Verfahren der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG auch dann nicht anfallen, wenn eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) vorausgegangen ist.

2. Bei Untätigkeitsklagen fällt eine Gebühr nach Nr 3106 RVG-VV in Gestalt der "fiktiven" Terminsgebühr an, deren Höhe in der Regel mit 40% der Mittelgebühr bzw 25% der Mittelgebühr aufgrund der noch geringeren Bedeutung der Angelegenheit bei Untätigkeitsklagen, in denen "nur" auf Erlass eines Kosten(erstattungs)bescheides nach § 63 SGB 10 geklagt wird, zu bemessen ist (vgl SG Berlin vom 23.9.2009 - S 165 SF 791/09 E).

3. Die im Beschluss vom 23.9.2009 - S 165 SF 791/09 E aufgestellten Grundsätze, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit, sind auf Untätigkeitsklagen, mit denen der Erlass eines Widerspruchsbescheides auf den Widerspruch gegen einen Mahngebührenbescheid begehrt wird, grundsätzlich übertragbar, und zwar mit der Maßgabe, dass hier in der Regel nur Gebühren in Höhe von 20% der Mittelgebühr als billig erscheinen. Denn während die geltend gemachten Kosten des Widerspruchsverfahrens jedenfalls bei anwaltlich vertretenen Klägern in der Regel im dreistelligen Euro-Bereich liegen (können), bewegen sich die Mahngebühren regelmäßig maximal im zweistelligen Euro-Bereich, oftmals sogar im Cent-Bereich, was einer - auch für Grundsicherungsleistungsempfänger nach dem SGB 2 - denkbar geringst möglichen Bedeutung der Angelegenheit entspricht.

4. Eine (fiktive) Terminsgebühr ist dann nicht festzusetzen, wenn ein Anerkenntnis bezüglich des Klageantrages nicht abgegeben worden ist.

 

Tenor

Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 30. Juni 2011 werden die zu erstattenden Kosten auf 35,70 € festgesetzt. Der Ausspruch über die Verzinsung gilt entsprechend. Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.

Von den notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat die Erinnerungsführerin ein Zehntel zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Erinnerungsgegnerin erhob am 18. Juni 2010 zum Ursprungsaktenzeichen - S 60 AL …/10 - Klage bei dem Sozialgericht Berlin mit dem Antrag, die Beklagte (= die Erinnerungsführerin) zu verurteilen, den Widerspruch der Klägerin (= die Erinnerungsgegnerin) vom 15. März 2010 gegen den Mahngebührenbescheid vom 7. März 2010 zu bescheiden. Die dortige Mahngebührenforderung betrug 0,77 €. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2010 erklärte die Erinnerungsgegnerin die Untätigkeitsklage für erledigt, nachdem die Erinnerungsführerin am 1. Juli 2010 einen Widerspruchsbescheid erlassen hatte. Mit Beschluss vom 10. Februar 2011 wurde der Erinnerungsführerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits auferlegt, da die Frage der Verwaltungsaktqualität der angesetzten Mahngebühr noch nicht höchstrichterlich geklärt war und die Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache sowohl in die eine als auch in die andere Richtung hätte gehen können, nachdem die Erinnerungsführerin im Schriftsatz vom 20. Juli 2010 die Kostenübernahme abgelehnt hatte, da eine Mahnung keinen Verwaltungsakt im Sinne der § 31 SGB X darstelle, ein der Untätigkeitsklage vorausgehender Widerspruch sich aber gegen einen solchen richten müsse (was auch schon in der Klageerwiderung geltend gemacht wurde); dass durch das JobCenter zwischenzeitlich die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Rückforderung hergestellt wurde, könne ebenfalls nicht zur Kostentragung der Beklagten führen. Mit Schriftsatz vom 20. August 2010 hatte die Erinnerungsführerin einen Kontoauszug übersandt, aus welchem die Stornierung der Mahngebühren ersichtlich sei. Die Erinnerungsgegnerin hatte zu diesem Schriftsatz der Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 2. September 2010 mitgeteilt, dass von hier aus nicht ersichtlich sei, wozu dieser Vortrag dienen solle. Es gehe ausschließlich noch um die Frage der Kostenentscheidung. Der Umstand, dass die Mahngebühren im Softwaresystem der Beklagten auf “Null„ gestellt wurden, sei dafür unerheblich.

Mit Antrag vom 1. März 2011 beantragte die Erinnerungsgegnerin die Kostenfestsetzung entsprechend folgender Kostenrechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV

100,00 €

Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV

80,00 €

Post- und Telekomentgelt gem. Nr. 7002 VV

20,00 €

zzgl. 19 % Mw...

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