Rz. 24

Für die Entstehung und Existenz des Haftungsanspruchs ist die Festsetzung des zugrunde liegenden Anspruchs (beim Säumniszuschlag unterbleibt diese regelmäßig schon wegen § 254 Abs. 2 S. 1 AO) nicht erforderlich. Dies kann aus § 191 Abs. 3 S. 4 und Abs. 5 AO abgeleitet werden. Ist in einem Steuerfall der Steuerschuldner nicht mehr greifbar, so bedarf es keines formellen Steuerbescheids an ihn, bevor ein Haftender durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen wird. Deswegen schadet es auch nicht, wenn bei einer Festsetzung der Steuer dies vorläufig[1] oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung[2] geschehen ist.[3] Auch setzt bei den Realsteuern die Haftung nicht den vorigen Erlass eines Steuermessbescheids voraus.[4]

 

Rz. 25

Für die Höhe der Haftungsinanspruchnahme hat allerdings eine tatsächlich geschehene Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis Bedeutung. Die Höhe des Haftungsanspruchs richtet sich nämlich nach dem kraft Gesetzes entstandenen materiellen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. Die Haftungsvorschrift kann hier eine Einschränkung, nicht jedoch eine Ausdehnung vornehmen. Da der Haftungsanspruch danach nicht höher als der zugrunde liegende Anspruch sein kann, muss die durch die Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zum Ausdruck gekommene offiziell ermittelte Höhe dieses Anspruchs auch die Grenze für die Haftungsinanspruchnahme bilden. Ob dem Steuerbescheid insoweit sogar die Funktion eines Grundlagenbescheids zugebilligt werden kann[5], kann dahingestellt bleiben.[6] In jedem Fall ergibt sich aus der Akzessorietät des Haftungsanspruchs das Verbot einer höheren Haftungsinanspruchnahme als die vorhandene Steuerfestsetzung. Wird die Steuer zu niedrig festgesetzt, so ist die Grenze für die Haftungsinanspruchnahme errichtet.[7] Würde man eine höhere Haftungsinanspruchnahme zulassen, so würde das quasi eine Berichtigung des bestandskräftigen Steuerbescheids bedeuten.[8] Wird das Nichtbestehen des zugrunde liegenden Anspruchs durch Bescheid festgestellt, so scheidet eine Haftungsinanspruchnahme ebenso aus den zur Akzessorietät der Höhe genannten Gründen aus. Bei einer späteren Festsetzung der Steuer auf Null ist der bereits erlassene Haftungsbescheid zurückzunehmen. Wegen der Auswirkungen der Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheids auf den Haftungsanspruch vgl. im Übrigen auch § 191 AO Rz. 27, 31a. Bei einer Herabsetzung der Steuerschuld ist daher die Haftungsschuld zu mindern. Dies kann auch im Einspruchs- oder Klageverfahren gegen den Haftungsbescheid geschehen.[9]

 

Rz. 26

Umgekehrt kann die Haftungsinanspruchnahme ohne Weiteres niedriger gewählt werden als der festgesetzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. Das kann auf einer gesetzlichen Beschränkung der Haftung beruhen oder aber auf einer Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. Im Gegensatz zum Steueranspruch muss der Haftungsanspruch nicht und auch nicht vollständig festgesetzt werden.[10] Da der Haftungsbescheid einen niedrigeren Betrag als der Bescheid über den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ausweisen kann, besteht für den Haftungsschuldner grundsätzlich auch keine Bindung an einen vorliegenden Steuerbescheid. Er kann im Einspruchsverfahren gegen den Haftungsbescheid alle gegen den zugrunde liegenden Anspruch möglichen Einwendungen erheben, auch wenn wegen der Bestandskraft des Steuerbescheids der eigentliche Schuldner selbst diese Einwendungen nicht mehr geltend machen kann.[11] Ausnahmsweise ist der Haftende mit den Einwendungen ausgeschlossen, wenn er den gegen den Stpfl. erlassenen Bescheid als dessen Vertreter oder in eigenem Namen hätte anfechten können.[12]

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