Leitsatz

Das OLG Hamm hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB in Betracht kommt.

 

Sachverhalt

Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau war tituliert. Der Ehemann begehrte eine Herabsetzung bzw. Befristung des Unterhaltsanspruchs.

Die Ehefrau betreute zwei 13 und 14 Jahre alte Kinder und ging neben der Kindesbetreuung einer Erwerbstätigkeit von 25 Wochenstunden nach.

Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage des Ehemannes auf Herabsetzung bzw. Befristung des titulierten Unterhaltsanspruchs abgewiesen.

Sein hiergegen eingelegtes Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, die Beklagte komme ihrer dem Kläger gegenüber bestehenden Erwerbsobliegenheit mit einer Tätigkeit von 25 Wochenstunden ausreichend nach, und zwar auch unter Berücksichtigung der verschärften Anforderungen nach dem seit dem 1.1.2008 geltenden Unterhaltsrecht für kinderbetreuende Ehegatten.

Eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten deutlich über das 3. Lebensjahr der von ihr betreuten Kinder hinaus entspreche aus kindeswohlbezogenen Gründen der Billigkeit. Das OLG legte hierbei die neuere Rechtsprechung des BGH, zuletzt das Urteil vom 17.6.2009 - XII ZR 102/08 - zugrunde.

Bei der Frage der Erwerbsobliegenheit sei zunächst der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes zu berücksichtigen. Dabei sei der Anzahl der Kinder besondere Bedeutung beizumessen, denn es bedürfe eines wesentlich höheren Betreuungsaufwandes, zwei oder mehr Kinder zu betreuen als ein einzelnes.

Des Weiteren sei unstreitig, dass der 12-jährige Sohn gesundheitlich beeinträchtigt sei. Es bedürfe keiner näheren Ausführungen, dass ein unter einer chronischen Erkrankung leidendes Kind erhöhter Zuwendung durch den betreuenden Elternteil bedürfe, zumal gerade die bei ihm auftretenden Beschwerden oftmals auch belastungs- bzw. spannungsbedingt seien.

Unstreitig sei auch, dass es in der Schule, die der ältere Sohn besuche, kein Mittagessen gebe und die Hausaufgabenbetreuung durch Schüler und Schülerinnen der Oberstufe erfolge. Beide Kinder würden nach Beendigung der Schule lediglich "verwahrt", nicht jedoch betreut und gefördert, wie dies im Elternhaus der Fall wäre.

Ebenso wie das erstinstanzliche Gericht vertrat auch das OLG die Auffassung, dass, wenn durch das neue Unterhaltsrecht dem Elternteil schon die freie Entscheidung versagt sei, ob er die Kinder selbst betreue oder aber von Dritten betreuen lassen wolle, zumindest verlangt werden müsse, dass die Betreuung durch Dritte nicht wesentlich schlechter sei als die häusliche Betreuung durch die eigenen Eltern.

Eine bloße Verwahrung älterer Kinder könne gerade in heutiger Zeit, in der die Kinder unter erhöhtem Leistungs- und Lerndruck ständen, nicht als kindgerecht i.S.d. Ausführungen des BGH in dessen richtungsweisender Entscheidung vom 18.3.2009 - XII ZR 74/08 - angesehen werden.

In Abwägung aller relevanten Umstände sei daher eine 5-stündige Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung als zumutbar, jedoch auch als ausreichend anzusehen.

Eine Befristung des Betreuungsunterhaltsanspruchs nach § 1578 BGB scheide aus, weil § 1570 BGB in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung insoweit eine Sonderregelung für die Billigkeitsabwägungen enthalte, die eine nochmalige Abwägung nach § 1578b BGB ausschließe.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil vom 03.07.2009, 7 UF 300/08

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