Ist trotz späterer Scheidung bei Testamentserrichtung ein Fortgeltungswille vorhanden, bleiben die letztwilligen Verfügungen der Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament wirksam. Will einer der Partner seine letztwillige Verfügung beseitigen, muss er in der oben beschriebenen Art und Weise tätig werden. Dabei ist zu beachten, dass wechselbezügliche Verfügungen i. S. d. § 2270 BGB zu Lebzeiten der Ehegatten nur durch Zustellung einer notariell beurkundeten Erklärung einseitig widerrufen werden können, § 2271 Abs. 1 Satz 1, § 2296 BGB.

In diesem Zusammenhang hatte die bislang herrschende Auffassung angenommen, dass die Wechselbezüglichkeit von letztwilligen Verfügungen bei Auflösung der Ehe entfällt.

Im Gegensatz dazu hat der BGH in einen viel beachteten Urteil im Jahr 2004 entschieden, dass die Wechselbezüglichkeit von letztwilligen Verfügungen bei Auflösung der Ehe nicht wegfällt, sofern ein Fortgeltungswille der Eheleute bei Testamentserrichtung angenommen werden kann. Damit können derartige Verfügungen auch nach Scheidung nicht mehr durch ein privatschriftliches Testament widerrufen werden. Vielmehr ist ein Widerruf in notarieller Form erforderlich.[18]

Diese BGH-Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen für die Praxis. Ehegatten, die ohne juristische Beratung ein gemeinschaftliches Testament errichten, ist die Formbedürftigkeit eines Widerrufs meist nicht bekannt. Auch die mit dem Tod eines Ehepartners eintretende Bindungswirkung ist weiten Kreisen nicht bewusst. Geschiedenen Ehegatten ist meistens weder die Notwendigkeit eines notariellen Widerrufs bei Vorliegen eines Fortgeltungswillens noch die Möglichkeit der Testamentsanfechtung im Falle der Wiederheirat (§ 2079 BGB) bekannt.

 

Praxishinweis:

Unter diesen Umständen sollte von der Möglichkeit "scheidungsresistenter" Verfügungen nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Sinnvoll erscheint es, in einem Ehegattentestament grundsätzlich klar zu stellen, dass alle Verfügungen im Falle einer Ehescheidung unwirksam werden.

 

Formulierungsbeispiel:[19]

Alle von uns beiden getroffenen Verfügungen sollen nicht gelten, wenn unsere Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden nicht mehr besteht. Auch für den Fall, dass einer von uns Klage auf Aufhebung der Ehe erhoben oder einen Antrag auf Ehescheidung gestellt hat und die rechtlichen Voraussetzungen der Scheidung vorliegen, sollen unsere Verfügungen nicht gelten.

[18] BGH, BGHZ 160, 33 = ZEV 2004, 423 m. Anm. Keim; ablehnend Kanzleiter, ZEV 2005, 181.
[19] Lauck, in: Meyer-Götz, a. a. O., Rn. 111 f.

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