Rz. 19

Das Bußgeldverfahren kann in jedem Stadium eingestellt werden. Die Einstellung kommt also in Betracht im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde – einschließlich des Verwarnungsverfahrens und des Zwischenverfahrens (§ 69 OWiG) – bis zum Eingang der Akten bei Gericht (Unterabschnitt 2), im gerichtlichen Verfahren (Unterabschnitt 3) und im Rechtsbeschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (Unterabschnitt 4). Nicht erforderlich ist, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Hauptverhandlung auch durchgeführt worden wäre.[7]

 

Rz. 20

Für alle Verfahren gemeinsam gilt, dass die Einstellung nicht nur vorläufig sein darf.

 

Rz. 21

Die Abgabe an die Staatsanwaltschaft zur Übernahme des Verfahrens wegen des Verdachts einer Straftat (§ 41 OWiG) reicht nicht aus. Zwar ist das Strafverfahren eine vom Bußgeldverfahren unabhängige eigene Angelegenheit, jedoch ist mit der Abgabe – anders als im umgekehrten Fall der Einstellung des Strafverfahrens und Abgabe an die Bußgeldbehörde – keine Einstellung verbunden. Die Staatsanwaltschaft verfolgt vielmehr die (Straf-)Tat auch unter dem Gesichtspunkt der Ordnungswidrigkeit weiter.

 

Rz. 22

Eine Teileinstellung wegen einzelner Taten reicht grundsätzlich ebenfalls nicht aus, da damit das Verfahren als solches gerade nicht endgültig eingestellt wird.[8]

 

Rz. 23

Wird ein Bußgeldverfahren allerdings gegen mehrere Betroffene geführt, so reicht die Teileinstellung gegen einen der Betroffenen aus, sofern das Verfahren gegen ihn damit endgültig erledigt wird. Sein Verteidiger kann also in diesem Fall die Zusätzliche Gebühr nach VV 5115 verdienen. Dass das Verfahren gegen alle Beteiligten endgültig eingestellt wird, ist für die Anwendung der VV 5115 nicht erforderlich.[9]

 

Rz. 24

In den Anwendungsbereich der VV 5115 fallen daher folgende Einstellungen:

§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO,[10]
§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 154 StPO,[11]
§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a StPO,
§ 47 Abs. 2 OWiG.[12]
 

Rz. 25

Nicht hierzu zählen die Einstellungen nach:

§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 205 StPO,[13]
§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 154d StPO.[14]
 

Rz. 26

Ebenso wie im Strafverfahren ist es erforderlich, dass der Verteidiger an der Einstellung oder Erledigung des Verfahrens mitgewirkt hat. Das Gesetz formuliert dies negativ und schließt in Anm. Abs. 2 die Zusätzliche Gebühr aus, "wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist". Damit kehrt sich bei einer Einstellung des Verfahrens die Darlegungs- und Beweislast um. Die Mitwirkung des Anwalts wird vermutet. Ihr ausnahmsweises Fehlen ist vom Gebührenschuldner oder vom Erstattungspflichtigen zu beweisen.[15]

 

Rz. 27

Mitwirkung i.S.d. VV 5115 bedeutet, dass der Verteidiger durch seine Tätigkeit die endgültige Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert haben muss. Es genügt jede Tätigkeit des Verteidigers, die zur Förderung der Verfahrenserledigung geeignet ist.[16] Eine Ursächlichkeit ist nicht erforderlich.[17] Der Umstand, dass das Verfahren auch ohne Zutun des Verteidigers möglicherweise ohnehin eingestellt worden wäre, ist unerheblich.[18] Unzutreffend insoweit daher AG Köln,[19] das bei Einstellung wegen Verfolgungsverjährung die Tätigkeit des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht kausal für die Beendigung des Verfahrens ansieht, da es eines Hinweises auf die Verfolgungsverjährung in aller Regel nicht bedürfe, weil die Verjährungsfristen den Bußgeldbehörden grundsätzlich bekannt seien. Diese Argumentation geht schon deshalb an der Praxis vorbei, weil die Bußgeldbehörden Verjährungsvorschriften häufig nicht beachten. Wird wegen einer verjährten Tat ermittelt, dann muss der Hinweis auf den Verjährungseintritt daher immer ausreichen, um die Zusätzliche Gebühr der VV 5115 auszulösen.

 

Rz. 28

Ausreichend ist es, dass der Verteidiger für den Betroffenen eine Einlassung abgegeben hat, wobei die Einlassung auch in einem früheren Verfahrensstadium oder gar in einem vorangegangenen Strafverfahren abgegeben worden sein kann (siehe Rdn 48).

 

Rz. 29

Ebenso genügt eine Sachverhaltsaufklärung, eine Besprechung mit der Verwaltungsbehörde über den Verfahrensfortgang.

 

Rz. 30

Ausreichend ist auch die Benennung von Zeugen[20] oder ein sonstiger Beweisantrag, etwa auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang[21] o.Ä.

 

Rz. 31

Ferner genügt der anwaltliche Antrag, ein Verfahren wegen offensichtlich mangelhafter Sachverhaltsaufklärung an die Bußgeldstelle zurückzuverweisen, wenn die Behörde das Verfahren dann später einstellt.[22]

 

Rz. 32

Des Weiteren reicht es aus, wenn der Verteidiger aufgrund seiner Eingaben bewirkt, dass die Verwaltungsbehörde übersieht, verjährungsunterbrechende Maßnahmen einzuleiten und die Sache verjähren lässt.[23]

 

Rz. 33

Ebenso genügt es, wenn der Verteidiger dem Betroffenen rät, sich zu den Tatvorwürfen vor der Ermittlungsbehörde selbst zu äußern, und das Verfahren daraufhin eingestellt wird.[24]

 

Rz. 34

Kontrovers diskutiert wurde lange Zeit die Frage,...

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