Rz. 30

Mitwirkung i.S.d. Anm. Abs. 2 bedeutet, dass der Verteidiger durch seine Tätigkeit die Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert haben muss. Eine besondere Mühewaltung ist nicht erforderlich. Die Tätigkeit des Anwalts muss auch nicht ursächlich für die Einstellung sein;[43] es reicht vielmehr jede auf die Einstellung hin zielende Tätigkeit des Verteidigers aus, die als solche geeignet ist, das Verfahren in formeller, materiell-rechtlicher oder prozessualer Hinsicht im Hinblick auf eine Erledigung zu fördern.[44] Insbesondere müssen die Voraussetzungen der VV 1002 nicht erfüllt sein.[45] Schließlich hat der Verteidiger die Interessen des Beschuldigten zu wahren. Es ist nicht seine primäre Aufgabe, das Verfahren zu fördern.[46]

 

Rz. 31

Für eine Mitwirkung i.S.d. Anm. Abs. 2 S. 2 reicht es daher aus, dass der Verteidiger für den Beschuldigten eine Einlassung abgegeben hat. Ebenso genügt eine Sachverhaltsaufklärung, eine Besprechung mit der Staatsanwaltschaft über den Verfahrensfortgang, die Benennung von Zeugen,[47] andere Beweisanträge, etwa auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Einreichung einer Schutzschrift mit einer außergerichtlichen Vereinbarung zwischen Schädiger und Geschädigtem.[48] Auch der bloße rechtliche Hinweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Verfolgungsverjährung genügt.[49]

 

Rz. 32

Nach OLG Stuttgart[50] genügt für die anwaltliche Mitwirkung i.S.d. Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 "jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Weitergehende Anforderung an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwändigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht. Die gegenteilige Auffassung des KG[51] "nach dem eindeutigen Wortlaut" der VV 4141 "durch die anwaltliche Mitwirkung" müsse die anwaltliche Tätigkeit für die Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung ursächlich, zumindest mitursächlich gewesen sein, findet weder im Gesetz eine Stütze, noch entspricht sie seinem Sinn und Zweck."

 

Rz. 33

Im Falle des § 153 Abs. 2 StPO genügt die Zustimmung zur Einstellung.[52]

 

Rz. 34

Ausreichend sein kann das Nichteinlegen eines Rechtsmittels in einem anderen Verfahren, wenn infolge dessen in dem laufenden Verfahren eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgt.[53]

 

Rz. 35

Die bloße Bestellung oder Einsichtnahme in die Ermittlungsakten ist dagegen nicht ausreichend, selbst wenn eine Einlassung für den Beschuldigten angekündigt wird.[54] Ebenso wenig genügt die bloße Einlegung eines Einspruchs ohne Begründung, wenn das Verfahren anschließend ausschließlich von Amts wegen eingestellt wird.[55]

 

Rz. 36

Ausreichend ist, dass der Verteidiger dem Beschuldigten rät, sich zu den Tatvorwürfen vor der Ermittlungsbehörde zu äußern, und danach das Verfahren eingestellt wird.[56]

 

Rz. 37

Der Ansicht, dass die Wiederholung einer vor der Polizei bereits abgegebenen Anregung, ein Gutachten einzuholen, nicht ausreichend sein soll,[57] kann wiederum nicht gefolgt werden.

 

Rz. 38

Ausreichend ist es auch, dass der Verteidiger mitteilt, der Beschuldigte mache von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, wenn daraufhin das Verfahren eingestellt wird.[58] Ist der Angeklagte das einzige Beweismittel und lässt er sich nicht zur Sache ein, sodass der Nachweis einer Straftat nicht geführt werden kann, so ist der entsprechende Rat des Verteidigers, keine Einlassung abzugeben und sich auf sein Aussageverweigerungsrecht zu berufen, auf jeden Fall mitursächlich für die spätere Einstellung. Dem Verteidiger muss daher die Zusätzliche Gebühr zustehen. Die gegenteilige Rechtsprechung,[59] wonach ein "gezieltes Schweigen" kein Mitwirken i.S.d. Vorschrift sei, kann nicht gefolgt werden. Auch die Auffassung des AG Hannover, der anwaltliche Rat an den Mandanten, sich zu den erhobenen Vorwürfen nicht zu äußern, sei keine Mitwirkung des Anwalts an der Erledigung und löse daher keine Zusätzliche Gebühr aus,[60] ist abzulehnen. Diese Rechtsprechung übersieht, dass ein "gezieltes Schweigen" kein bloßes Nichtstun des Verteidigers darstellt. Der Verteidiger muss anhand der Angaben des Mandanten sowie aufgrund der Ermittlungsunterlagen prüfen, ob es im konkreten Fall günstiger ist, die Aussage zu verweigern oder eine Einlassung abzugeben. Diese beratende Tätigkeit des Verteidigers bleibt dieselbe, unabhängig davon, ob er zur Aussageverweigerung oder zur Einlassung rät. Daher muss die Tätigkeit des Anwalts gleich vergütet werden, unabhängig davon, welche Empfehlung der Anwalt ausspricht.[61] Im Übrigen zeigt das Ergebnis, dass der Rat des Verteidigers wohl durchdacht und begründet war, da er schließlich die Einstellung des Verfahrens erreicht hat.

 

Rz. 39

Wenn der Anwalt seinen Mandanten dahingehend berät, sich auf sein Aussageverweigerungsrecht zu berufen und damit der Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde das einzige Beweismittel verloren geht, das zur Verfügung steht,...

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