Rz. 11

Über die Kosten des Berufungsverfahrens ist nach § 473 Abs. 1 bis 4 StPO zu entscheiden. Die Kosten einer erfolglosen oder zurückgenommenen Berufung treffen denjenigen, der sie eingelegt hat (§ 473 Abs. 1 StPO). Wird der Angeklagte im Berufungsverfahren freigesprochen, so ist nach § 467 StPO zu entscheiden.

 

Rz. 12

Der Umfang der zu erstattenden Kosten richtet sich auch im Berufungsverfahren nach § 464a StPO.

 

Rz. 13

Umstritten ist, inwieweit eine Kostenerstattung zugunsten des Beschuldigten in Betracht kommt, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurücknimmt, bevor sie begründet worden ist. Hier wird leider häufig die Frage, ob der Verteidiger in diesem Stadium eine Gebühr verdient hat, mit der Frage verwechselt, ob eine solche Gebühr auch erstattungsfähig ist.[5] Beides ist voneinander zu trennen.

 

Rz. 14

Legt die Staatsanwaltschaft Berufung ein, so entsteht mit der ersten Tätigkeit des Verteidigers nach Auftragserteilung im Berufungsverfahren die Gebühr nach VV 4124. Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 greift nicht, da diese nur für das eigene Rechtsmittel gilt (siehe hierzu im Einzelnen § 19 Rdn 117 ff.).

 

Rz. 15

Die Erstattungsfähigkeit dieser Gebühr hängt davon ab, ob es sich hierbei um notwendige Kosten i.S.d. § 473 Abs. 2 S. 1 StPO handelt. Das wiederum richtet sich nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO.

 

Rz. 16

Von einem Teil der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, die Beauftragung des Verteidigers vor Eingang der Berufungsbegründung sei nicht notwendig im Sinne der genannten Bestimmungen. Vor Kenntnisnahme der Berufungsbegründung könne der Verteidiger keine sinnvolle Tätigkeit entfalten, da ihm nicht bekannt sei, in welchem Umfang das Urteil angefochten und auf welche Gründe sich die Anfechtung stützen werde.[6]

Diese Auffassung ist abzulehnen. Bereits mit Einlegung des Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft ergibt sich Beratungs- und Handlungsbedarf. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, sich darüber beraten zu lassen, welche Auswirkungen die Berufung haben kann. Darüber hinaus ist es bereits in diesem Stadium vor Begründung der Berufung notwendig zu handeln und die weitere Verteidigung vorzubereiten. Auch wenn die Begründung noch nicht vorliegt, ergibt sich doch in aller Regel aus dem bisherigen Verlauf des Verfahrens, inwieweit und aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft die Berufung durchführen wird. Hinzu kommt, dass dem Angeklagten und seinem Verteidiger nach Zugang der Berufungsbegründung nur eine befristete Zeitspanne zusteht, die weitere Verteidigung abzustimmen, während der Staatsanwaltschaft ein ungleich längerer Zeitraum zur Verfügung stünde. Eine solche Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Schließlich weist Hansens[7] auch zu Recht darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft nach Nr. 146 RiStBV angewiesen ist, grundsätzlich keine vorsorglichen Rechtsmittel einzulegen, so dass der Angeklagte davon ausgehen kann, dass die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel auch durchführt. Dass die Berufung ohne Begründung zurückgenommen wird, ist danach ein Ausnahmefall, mit dem der Angeklagte nicht zu rechnen braucht. Die Gebühr nach VV 4124 ist daher auch dann erstattungsfähig, wenn die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel ohne Begründung zurücknimmt.[8]

Nur ausnahmsweise kann die Notwendigkeit zu verneinen sein, etwa dann, wenn der Verteidiger, ohne sich mit der Sache zu befassen, lediglich formularmäßig den überflüssigen Antrag auf Verwerfung der Berufung stellt.[9] Da der Verteidiger allerdings vor Eingang der Berufungsbegründung wenig zu veranlassen hat, sondern sich seine Tätigkeit weitgehend in der Beratung des Angeklagten erschöpfen dürfte, wird in diesen Fällen die Gebühr des VV 4124 gem. § 14 Abs. 1 im unteren Bereich anzusetzen sein.

[5] So z.B. LG Osnabrück NdsRpfl 1988, 270.
[6] OLG Köln AGS 2015, 511 = RVGreport 2015, 383 = NStZ-RR 2015, 294; OLG Koblenz NStZ-RR 2014, 327; KG RVGreport 2012, 187 = JurBüro 2012, 471; OLG München JurBüro 1977, 490; OLG Hamm MDR 1978, 596; OLG Zweibrücken JurBüro 1978, 256; OLG Düsseldorf JurBüro 1981, 229; OLG Koblenz MDR 1985, 344; LG Wuppertal JurBüro 1980, 1208 m. Anm. Mümmler; LG Bayreuth JurBüro 1981, 735; LG Kleve JurBüro 1987, 87; LG Offenburg JurBüro 1988, 374; LG Koblenz JurBüro 1998, 422 m. Anm. Meyer.
[7] Hansens, BRAGO, § 85 Rn 7.
[8] LG Dortmund AGS 2016, 168 = RVGreport 2016, 223; LG Aurich RVGreport 2015, 266; LG Aachen AnwBl 1990, 250; LG Hannover NJW 1976, 2031; LG Ellwangen NJW 1978, 118; LG Braunschweig JurBüro 1980, 1041; LG Flensburg JurBüro 1982, 1361; LG Düsseldorf AnwBl 1983, 461; LG Berlin AnwBl 1987, 53; LG Bamberg DAR 1990, 316; Meyer, JurBüro 1975, 1537; LG Krefeld AGS 1998, 185 m. Anm. N. Schneider; Schmidt, NJW 1981, 667; Al-Jumaili, JurBüro 1999, 4.
[9] LG Aachen JurBüro 1977, 1249; Hansens, BRAGO, § 85 Rn 7.

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