Rz. 59

Eine Besonderheit stellen hingegen einstweilige Verfügungen dar, die auf ein Unterlassen gerichtet sind. Ist die einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung erlassen und dementsprechend als Urteil verkündet worden, erfolgt die Zustellung des Urteils an den Antragsgegner von Amts wegen (§ 317 Abs. 1 S. 1 ZPO). Zur Wahrung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ist es aber notwendig, dass der Antragsteller deutlich macht, von dem Urteil Gebrauch machen zu wollen. Da bei einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung eine Zwangsvollstreckung im eigentlichen Sinne nicht stattfindet, muss der Antragsteller seinen Vollziehungswillen auf andere Weise deutlich machen, z.B. durch – ggf. nochmalige – Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb.[56]

 

Rz. 60

Diese Zustellung muss dann schon – entgegen der h.M.[57] – als Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung i.S.d. VV 3309 angesehen werden, weil – wenn sich der Antragsgegner an das Verbot hält – keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr erfolgen können. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 16 und § 18 Abs. 1 Nr. 2 sind i.d.S. eng auszulegen, zumal diese Vorschriften nur Handlungen betreffen, die – vollstreckungsrechtlich gesehen – die Zwangsvollstreckung nur vorbereiten, selbst aber noch nicht den Beginn der Zwangsvollstreckung darstellen. Das wird besonders deutlich, wenn die Zustellung des Urteils bereits zuvor von Amts wegen erfolgt war, es also einer Zustellung als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 750 ZPO nicht mehr bedurfte.

 

Rz. 61

Die Situation ist vergleichbar mit der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung durch Eintragung im Grundbuch (siehe Rdn 67 ff.). Diese Eintragung stellt keine Zwangsvollstreckung mehr dar. Dennoch billigt die h.M.[58] dem Anwalt für die Stellung des Eintragungsantrags eine Vollziehungsgebühr zu, weil im Hinblick auf den Zwang zur Stellung des Eintragungsantrags innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO erst mit der Stellung dieses Antrags das Rechtsschutzziel des Gläubigers erreicht wird. Nicht anders ist es bei der Zustellung einer auf Unterlassen gerichteten einstweiligen Verfügung. Auch diese kann der Gläubiger nicht nach Belieben irgendwann zustellen lassen, sondern muss dies innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO tun.

 

Rz. 62

Verstößt der Schuldner gegen das Unterlassungsgebot, kann der Anwalt die Festsetzung des zuvor angedrohten Ordnungsgeldes beantragen und erhält, falls der Schuldner zu Ordnungsgeld verurteilt wird, dafür eine zusätzliche Gebühr gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 14 ("besondere Angelegenheit"). Auch daraus ergibt sich ein Argument für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung. Da der Antrag auf Androhung eines Ordnungsmittels entweder zum Rechtszug gehört (soweit die Androhung mit dem Ausspruch zur Hauptsache zusammen erlassen wird) oder diese Handlung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 5 keine besondere Angelegenheit darstellt, der Anwalt also dafür keine weitere Gebühr erhält, würde der bereits im Erkenntnisverfahren tätige Anwalt für seine Bemühungen im Rahmen der normalen Vollziehung (hier: Zustellung) überhaupt keine Gebühr erhalten, wohl aber die weitere Gebühr gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 14 bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels. Eine "weitere" Vollziehungsgebühr setzt aber begrifflich eine andere Vollziehungsgebühr voraus.

 

Rz. 63

Jedenfalls wird man es genügen lassen müssen, wenn die – erneute oder erstmalige – Zustellung mit der Aufforderung verbunden wird, der Entscheidung nachzukommen, ansonsten der Gläubiger bei einem etwaigen Verstoß dagegen Ordnungsmittel beantragen werde. Da auch sonst die Vollstreckungsandrohung als gebührenrechtlicher Beginn der Zwangsvollstreckung angesehen wird (vgl. Rdn 455 ff.), gibt es keinen Anlass, dies bei der Vollziehung einer einstweiligen Anordnung anders zu behandeln.

[56] BGH 9.3.1973 – VI ZR 119/71, NJW 1973, 1076; OLG Oldenburg WRP 2011, 508; OLG Hamburg OLGR 2006, 572; HK/ZV-Haertlein, § 929 ZPO Rn 14; Zöller/Vollkommer, § 929 Rn 12; Hintzen/Wolf, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Handbuch, 2006, Rn 3.427.
[57] Die diesen besonderen Umständen nicht ausreichend Rechnung trägt, so KG MDR 2010, 55; OLG Celle AGS 2008, 283 = NJW-RR 2008, 1600; OLG Braunschweig JurBüro 2006, 26; OLG Koblenz AGS 2003, 108 m. abl. Anm. Schneider = JurBüro 2003, 137; OLG Frankfurt JurBüro 2002, 140; OLG Hamm JurBüro 2001, 475; OLG Schleswig JurBüro 1984, 410; OLG Bamberg JurBüro 1985, 714; LG Saarbrücken AGS 2014, 181 = NJW-Spezial 2014, 317; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 452; Hartung/Schons/Enders/Schons, RVG, VV Vorb. 3.3.3–3310 Rn 59; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, VV 3309 Rn 30; Riedel/Sußbauer/Schütz, RVG, VV 3309, 3310 Rn 16.
[58] H.M., vgl. OLG Hamm Rpfleger 2002, 541; OLG München JurBüro 1998, 358; OLG Köln JurBüro 1998, 639 unter Aufgabe von JurBüro 1987, 762; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 254; Riedel/Sußbauer/Schütz, RVG, VV 3309, 3310 Rn 18; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, VV 3309 Rn 33.

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