Rz. 38

Der bei Gericht einzureichende und vom Anwalt unterschriebene Schriftsatz muss bei dieser Alternative Sachanträge enthalten, um die volle 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 entstehen zu lassen. Sachantrag ist derjenige, der den Inhalt der gewünschten Sachentscheidung bestimmt und begrenzt.[37] Der Prozessbevollmächtigte muss also einen Antrag zur Sache selbst stellen, wobei die Bezugnahme auf einen Parteiantrag als ausreichend anzusehen ist.[38] Stellt er nur Anträge, die sich lediglich mit dem Verfahren an sich beschäftigen (z.B. Anträge zur Verlängerung der Erwiderungsfrist, zur Terminsverlegung oder zur Terminsanberaumung), handelt es sich nicht um einen Sachantrag i.S.v. Nr. 1, so dass er nur eine reduzierte Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8 verlangen kann.

 

Rz. 39

Dementsprechend kann es für die Annahme eines Sachantrags auch nicht genügen, wenn ein Nebenintervenient lediglich seinen Beitritt erklärt, ohne nicht wenigstens andeutungsweise zu erklären, wie der Rechtsstreit entschieden werden soll.[39] Weiter sind weder die Anwaltsbestellung an sich noch die Bitte um Verlängerung der Klageerwiderungsfrist Sachanträge nach Nr. 1.[40] Die schriftsätzliche Ankündigung, im Termin eines Scheidungsrechtsstreits keinen Antrag zu stellen, ist ebenfalls kein Sachantrag.[41] Wird hingegen in dem Schriftsatz die Zustimmung zur Scheidung erklärt, ist darin ein Sachantrag zu sehen.[42] Legt der Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten gegen eine einstweilige Verfügung oder einen Arrestbeschluss Widerspruch gemäß § 924 ZPO ein, handelt es sich bereits um einen Sachantrag i.S.v. Nr. 1, ohne dass ausdrücklich die Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung beantragt werden müsste. Denn durch die Einlegung des unbeschränkten Widerspruchs lässt der Antragsgegner erkennen, dass er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung insgesamt und nicht nur im Kostenpunkt begehrt.

 

Rz. 40

Dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erwächst eine volle 1,3-Verfahrensgebühr durch Einreichung eines Schriftsatzes mit Sachanträgen, in denen er – wenn ein früher erster Termin anberaumt ist – mehr als nur seine Verteidigungsabsicht darlegt. Dabei sind förmliche Anträge nicht unbedingt erforderlich; es muss nur zweifelsfrei erkennbar sein, dass es sich um einen Sachantrag (hier: Klageabweisungsbegehren) handelt,[43] der Beklagte also eine Abweisung der Klage anstrebt. Insbesondere kommen folgende Anträge in Betracht:

[37] Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, VV 3101 Rn 5; OLG Hamm MDR 1992, 308; KG Rpfleger 2000, 238; OLG Karlsruhe MDR 1993, 1246.
[38] LG Köln AGS 2006, 589 m. Anm. Schons.
[39] OLG Nürnberg JurBüro 1994, 671; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3101 Rn 71.
[40] OLG Koblenz JurBüro 1987, 1365.
[41] OLG München Rpfleger 1980, 355.
[42] OLG Frankfurt JurBüro 1981, 1527.
[43] BGH JurBüro 1970, 665; OLG München JurBüro 1991, 227.

(1) Verteidigungsabsicht im schriftlichen Vorverfahren

 

Rz. 41

Eine Anzeige der Verteidigungsabsicht im eigentlichen Sinn kann dann erfolgen, wenn das Gericht nach Einreichung einer Klage keinen frühen ersten Termin gemäß § 275 ZPO anberaumt, sondern vielmehr ein schriftliches Vorverfahren gemäß § 276 ZPO durchführt, im Rahmen dessen der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen hat, wenn er sich gegen die Klage verteidigen will. Diese Anzeige ist nicht als Sachantrag gemäß Nr. 1 anzusehen, weil sie nicht erkennen lässt, welche Entscheidung angestrebt wird bzw. in welchem Umfang der Klage entgegengetreten wird.[44] Der Rechtsanwalt erhält in diesem Fall lediglich eine reduzierte Gebühr i.H.v. 0,8 gemäß Nr. 1.

[44] LG Stuttgart 17.9.2014 – 19 O 148/13, AGS 2014, 501; OLG Koblenz JurBüro 1981, 151; OLG Düsseldorf JurBüro 1983, 1334; OLG Düsseldorf AGS 2001, 54 = Rpfleger 2000, 567; OLG Koblenz AnwBl 1987, 338 m.w.N.; OLG Koblenz MDR 1981, 507; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3101 Rn 34.

(2) Verteidigungsabsicht außerhalb des schriftlichen Vorverfahrens

 

Rz. 42

Von der soeben genannten Anzeige der Verteidigungsabsicht im eigentlichen Sinne zu unterscheiden ist die Verteidigungsabsicht im weiteren Sinne, also außerhalb des Anwendungsbereichs von § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO, wenn der Prozessbevollmächtigte damit – untechnisch – zum Ausdruck bringen will, dass er seine Klageerwiderung erst in einem weiteren Schriftsatz übermitteln will. Ein Schriftsatz, der nicht mehr als die Anzeige der Verteidigungsabsicht im weiteren Sinne enthält, enthält erst Recht keinen Sachantrag nach Nr. 1, so dass der Prozessbevollmächtigte unter den dortigen Voraussetzungen nur eine reduzierte Verfahrensgebühr von 0,8 nach Nr. 1 erhält.[45]

[45] OLG Koblenz JurBüro 1987, 1365; OLG Düsseldorf AGS 2001, 54 = Rpfleger 2000, 567.

(3) Verweisungsantrag

 

Rz. 43

Nimmt der Rechtsanwalt des Beklagten auf Aufforderung des Gerichts zu einem Verweisungsantrag mit sachlichen Argumenten Stellung und beantragt er eine Verweisung des Rechtsstreits, so hat er eine Verfahrensgebühr nach VV 3100 i.H.v. 1,3 verdient. Denn unstreitig ist der Verweisungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, der auf eine Entscheidung des Gerichts über dessen örtliche Zuständigkeit gerichtet ist, ein Sachantrag,[46] mindes...

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