Rz. 5

Endet der Auftrag, bevor der Rechtsanwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen Termin wahrgenommen hat, so erhält er nach Nr. 1 nur eine Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8. Die Einschränkung des Gebührenanspruchs aus VV 3100, der eigentlich bereits mit Auftragserteilung und Entgegennahme der Information i.H.v. 1,3 entstanden ist, beruht auf dem Gedanken, dass die Tätigkeit des Anwalts nur wenig aufwendig war bzw. nicht nach außen sichtbar geworden ist.[1] Insoweit handelt es sich auch um eine Ausnahmevorschrift zu § 15 Abs. 4. Nach dieser Vorschrift soll es – soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt – für die Gebührenfrage grundsätzlich ohne Einfluss sein, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endet, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

 

Rz. 6

Durch die Regelung in Nr. 1 wird von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht, die motiviert ist durch die Überlegung, dass das Nichterreichen eines bestimmten Tätigkeitsstadiums zum Zeitpunkt der Beendigung des Mandats ein Indiz für eine nur untergeordnete Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten darstellt. Dass diese Überlegung häufig nicht zutrifft, ist allgemein bekannt. Gerade in den Fällen, in denen die Anfertigung einer Klageerwiderung viel Zeit in Anspruch nimmt, erscheint es unbillig, die Verfahrensgebühr auf 0,8 herabzusetzen, wenn die Klage dann noch vor Einreichen der Klageerwiderung zurückgenommen worden ist oder der Kläger in Insolvenz gerät und sich das Mandat auf diese Weise erledigt. Die Unbilligkeit tritt noch deutlicher hervor, wenn man bedenkt, dass die Herabsetzung der Gebühr schon dadurch vermieden werden kann, dass dem Gericht der schlichte Klageabweisungsantrag mit dem Bemerken übermittelt wird, dass eine Begründung dieses Antrags vorbehalten bleibe.

 

Rz. 7

Soweit in der Begründung zum RVG-E[2] hervorgehoben wird, dass die vom Prozessbevollmächtigten geleistete Vorarbeit unter Umständen sehr zeitaufwendig sein kann, etwa wenn – wie ausgeführt – ein fertiger Klageentwurf an die Gegenseite übermittelt wird, ist diese zutreffende Einschätzung ohne adäquate Konsequenz geblieben. Solange die Vorschrift der Nr. 1 diesen Wortlaut hat, wird man sich mit der zumindest teilweise unbilligen Gebührenreduzierung abfinden müssen.

 

Rz. 8

Die Regelung in VV 3101 Nr. 1 bis 3 enthält keinen eigenständigen Gebührentatbestand, sondern zählt diejenigen Fallgestaltungen auf, in denen die Verfahrensgebühr nach VV 3100 ausnahmsweise nicht i.H.v. 1,3, sondern lediglich i.H.v. 0,8 entsteht. Das Gesetz macht die Entscheidung, ab welchem Zeitpunkt dem Rechtsanwalt eine volle Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 zustehen soll, von folgenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts abhängig:

Einreichen einer Klage
Einreichen eines ein Verfahren einleitenden Antrags
Einreichen eines Schriftsatzes, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des ein Verfahren einleitenden Antrags enthält
Wahrnehmung eines Termins.
 

Rz. 9

Soweit in der Begründung zum RVG-E[3] davon die Rede ist, dass für die Gebühr nach VV 3100, 3101 in Ausführung des Auftrags eine Tätigkeit seitens des Anwalts tatsächlich entfaltet worden sein muss, ist dies mindestens missverständlich. Für das Entstehen der reduzierten Gebühr reicht es nämlich aus, wenn der Rechtsanwalt den Auftrag und diesbezügliche Informationen entgegennimmt, ohne dass es einer weiteren Tätigkeit seinerseits bedarf.

 

Rz. 10

Gegenüber der früheren Vorschrift des § 32 Abs. 1 BRAGO ist zusätzlich das Einreichen eines Schriftsatzes, der Sachvortrag enthält, ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen worden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass diese Regelung auf solche Verfahren ebenfalls Anwendung finden soll, die nach der früheren Rechtslage der Vorschrift des § 118 BRAGO unterfielen. Ferner soll klargestellt werden, dass der Reduktionstatbestand auch in solchen, besondere Sachanträge der Parteien nicht erfordernden Verfahren anzuwenden sein soll.[4] Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist aber davon auszugehen, dass diese Alternative nicht nur in diesen Verfahren, sondern grundsätzlich eingreift, also z.B. auch im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens. Früher hätte der Prozessbevollmächtigte nur eine halbe Gebühr nach § 32 Abs. 1 BRAGO verlangen können, wenn er zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Tätigkeit nur zur Sache vorgetragen hatte, ohne zusätzlich auch einen Antrag zu stellen. Die Regelung in Nr. 1 hat nunmehr zur Folge, dass allein das Einreichen eines Schriftsatzes, der Sachvortrag oder vergleichbaren Vortrag enthält, den vollen Gebührenanspruch (1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100) entstehen lässt.

 

Rz. 11

Die Aufzählung in § 32 Abs. 1 BRAGO war abschließend,[5] so dass hiervon auch für die Vorschrift der Nr. 1 auszugehen ist. Auf diese Auslegung deutet auch die Begründung im RVG-E zu Nr. 1 hin, wen...

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