a) Kein gegenseitiges Nachgeben erforderlich

 

Rz. 8

Ein gegenseitiges Nachgeben ist keine Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr.[15] Auch der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass ein gegenseitiges Nachgeben für die Einigungsgebühr nicht erforderlich ist.[16] Für die Einigungsgebühr kommt es damit nicht auf den Abschluss eines Vergleiches im Sinne von § 779 BGB an.[17] VV 1000 Anm. Abs. 1 S. 1 unterscheidet sich von derjenigen des § 779 Abs. 1 BGB gerade durch die Auslassung der Worte "im Wege gegenseitigen Nachgebens".[18] Es genügt demnach der Abschluss irgendeines Vertrages, der zumindest aber kausal für die Beseitigung eines Streites bzw. einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis ist.[19]

 

Rz. 9

Teilweise wird ein Mindestmaß an gegenseitigem Nachgeben für das Entstehen der Einigungsgebühr für erforderlich gehalten. Zwar ergebe sich durch den Wortlaut und die Gesetzesbegründung zu VV 1000, dass ein gegenseitiges Nachgeben nicht erforderlich sei. Jedoch werde ebenfalls aus dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung zu VV 1000 deutlich, dass ein bloß einseitiges Nachgeben wie bei einem vollständigen Anerkenntnis bzw. einem vollständigen Verzicht nicht ausreiche. Dem ist jedoch entgegenzutreten. Denn der Umstand, dass bestimmte Formen eines einseitigen Nachgebens ausgeschlossen sind, gebietet weder die Schlussfolgerung, dass überhaupt ein Nachgeben erforderlich ist, noch, dass ein gegenseitiges Nachgeben vorliegen muss. Verträge, die kausal für die Beseitigung eines Streites bzw. einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis sind, können auch ohne (gegenseitiges) Nachgeben zur Entstehung der Einigungsgebühr führen. Mit der VV 1000 Anm. Abs. 1 S. 1 hat der Gesetzgeber auch gar nicht in erster Linie die Verträge oder die Prozesserklärungen im Sinne der §§ 306, 307 ZPO über ein Anerkenntnis oder einen Verzicht in Blick genommen, sondern vor allem auf die Fälle der Erfüllung oder der Nichtweiterverfolgung eines Anspruchs abgestellt.[20]

[15] Vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 204.
[17] BT-Drucks 15/1971, S. 204.
[18] Das noch in § 23 BRAGO a.F. erforderliche gegenseitige Nachgeben war einer der Hauptstreitpunkte in Bezug auf das Entstehen der Vergleichsgebühr.
[19] So auch: Enders, JurBüro 2004, 233, 234; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 1000 Rn 126 ff.
[20] Vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 204.

b) Ratenzahlungsvereinbarung

 

Rz. 10

Die Mitwirkung des Anwalts bei einer Ratenzahlungsvereinbarung zu einer

titulierten (z.B. Urteil, gerichtlicher Vergleich) oder
unstreitigen

Forderung kann die Einigungsgebühr entstehen lassen.

Auch der Gesetzgeber ging mit dem 1. KostRMoG 2004 davon aus, dass die Einigungsgebühr bei Mitwirkung an einer Ratenzahlungsvereinbarung anfallen würde,[21] zumal ein gegenseitiges Nachgeben keine Voraussetzung mehr für die Einigungsgebühr ist. Die Ratenzahlungsvereinbarung beseitigt nämlich die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis.[22] Das materielle Rechtsverhältnis ist dasjenige, welches der Forderung zugrunde lag und immer noch liegt. Wie bei § 779 Abs. 2 BGB steht es der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis gleich, wenn die Verwirklichung des Anspruchs unsicher ist.[23] So kann beispielsweise die Unsicherheit in dem Zweifel über einen späteren Vollstreckungserfolg liegen (z.B. Unsicherheit über Pfändungsgrenzen oder über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners).

 

Rz. 11

Da indes die Ratenzahlungsvereinbarung in der gerichtlichen Praxis vor allem uneinheitlich war, wenn bereits ein Titel vorliegt, ist durch das 2. KostRMoG die Anm. Abs. 1 zu VV 1000 überarbeitet worden.

So entsteht die Einigungsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu VV 1000 beim Abschluss eines Vertrages, durch den geregelt wird:

die Erfüllung des Anspruchs,
gleichzeitig der vorläufige Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung,
und – im Fall des Vorliegens eines Zwangsvollstreckungstitels – gleichzeitig der vorläufige Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen.
 

Hinweis

Zahlungsvereinbarung während eines gerichtlichen Verfahrens – außerhalb von Beratungshilfe

Um eine Zahlungsvereinbarung entsprechend der Vorschrift Anm. Abs. 1 Nr. zu VV 1000 handelt es sich auch, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, und der Schuldner auf die weitere Rechtsverteidigung verzichtet, damit der Gläubiger einen Vollstreckungstitel erhält. So kann es beispielsweise mit dem Verzicht oder der Rücknahme eines Widerspruchs gegen einen ergangenen Mahnbescheid der Fall sein. Anm. Abs. 1 Nr. 2 trifft zwar Regelungen für Fallkonstellationen vor Anhängigkeit eines Gerichtsverfahrens und bei Vorliegen eines Vollstreckungstitels. Der Gesetzgeber hat indes die Fallkonstellation übersehen, dass Zahlungsvereinbarungen oftmals auch während eines gerichtlichen Mahnverfahrens getroffen werden. Die Höhe der Einigungsgebühr ergibt sich dann aus VV 1003. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 31b.

[21] Vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 215.
[22] So schon: Schumann, MDR 1960, 457.

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