Rz. 9

Die Festsetzung und Erstattung der Geschäftsgebühr aus der Staatskasse (§ 44 S. 1) ist nach § 2 Abs. 1 BerHG aber zusätzlich davon abhängig, dass die Vertretung erforderlich gewesen ist. Erforderlich ist die Vertretung dann, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn, seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann.

 

Rz. 10

Ob eine Vertretung erforderlich ist, ergibt sich aus der Abwägung einerseits von Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Rechtsangelegenheit und andererseits von persönlichen Fähigkeiten des Rechtsuchenden.[8] Abzustellen ist dabei auf die individuelle Möglichkeit der Selbstvertretung des konkreten Antragstellers, nicht auf den durchschnittlichen Rechtsuchenden.[9] Dies bedeutet, dass insbesondere die Schul- und sonstige Bildung zu berücksichtigen und sodann in Relation zur Komplexität der Angelegenheit zu setzen sind, in der um Vertretung durch die Beratungsperson nachgesucht wird.[10] Die Regelung legt außerdem ausdrücklich fest, dass sich die Beurteilung, ob eine Vertretung erforderlich ist, auf den Zeitpunkt nach erfolgter Beratung bezieht.[11] Die Vertretung durch eine Beratungsperson ist demnach in der Regel dann nicht erforderlich, wenn nur noch ein einfaches Schreiben mit einer Tatsachenmitteilung zu fertigen, ein Widerspruch ohne Begründung einzulegen oder eine einfache Kündigung zu formulieren ist. Eine Vertretung soll dann nicht erforderlich sein, wenn keine rechtliche Würdigung bzw. Auseinandersetzung mit Rechtsprechung oder juristischer Literatur erfolgte und die Vertretung sich nur im Tatsachenvortrag erschöpft.[12]

 

Rz. 11

Eine anwaltliche Vertretung gegenüber dem Arbeitgeber ist nicht erforderlich, wenn es dem Rechtsuchenden zumutbar ist, entsprechend dem im Beratungsschreiben des Rechtsanwalts enthaltenen Entwurf insoweit eigenständig zu handeln.[13] Ist hingegen bekannt, dass die betroffene Behörde Widersprüchen, die mit keiner Begründung versehen sind, stets ohne weitere Prüfung nicht abhilft oder dass Kündigungsgründe vom Gegner einer Kündigung bereits in Abrede gestellt worden sind, kann die Erforderlichkeit einer Vertretung gegeben sein.[14] In einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts dann erforderlich, wenn es dem Rechtsuchenden nach seinen persönlichen Verhältnissen sowie wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Widerspruchsverfahren selbst zu führen.[15] Betrifft der Widerspruch etwa lediglich einen – ggf. wiederholten – Hinweis auf eine einfach gelagerte Frage zum Sachverhalt, kann es naheliegen, einen solchen schlichten tatsächlichen Hinweis – ggf. nach anwaltlicher Beratung – in einem Widerspruchsschreiben selbst zu geben.[16]

 

Rz. 12

Die Erforderlichkeit der Vertretung wird erst im Vergütungsfestsetzungsverfahren (§ 55) vom Urkundsbeamten, nicht schon im Bewilligungsverfahren durch den Rechtspfleger geprüft.[17] Sie ist vom Rechtsanwalt darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen. Für die Beurteilung reichen in der Regel die sich aus der Akte ergebenden Gesichtspunkte, insbesondere zu Beruf und Erwerbstätigkeit, aus, soweit das Gericht (Rechtspfleger) nicht ohnehin schon einen persönlichen Eindruck von dem Rechtsuchenden gewinnen konnte.[18] Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum, ob eine Vertretung in der Angelegenheit erforderlich ist, besteht für den Rechtsanwalt nicht.[19]

 

Rz. 13

Wegen weiterer Fragen zur Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung wird auf § 55 Rdn 150 ff. verwiesen.

[8] BT-Drucks 17/11472, S. 37 f.
[9] BT-Drucks 17/11472, S. 37 f.
[10] BT-Drucks 17/11472, S. 37 f.
[11] BT-Drucks 17/11472, S. 37 f.
[12] AG Lichtenberg 4.2.2011 – 170a II 4786/10; AG Halle BeckRS 2014, 7730.
[13] AG Koblenz AGS 2008, 461.
[14] BT-Drucks 17/11472, S. 37 f.
[15] KG BeckRS 2012, 5449.
[16] KG BeckRS 2012, 5449.
[17] OLG Brandenburg 8.1.2019 – 6 W 119/17; KG 17.2.2012 – 5 W 17/12; LG Itzehoe 4.5.2011 – 4 T 73/11; AG Eilenburg AGS 2020, 425; AG Mannheim 25.4.2016 – 2 UR II 8/16; AG Brühl NJW 2012, 243; AG Halle AGS 2012, 239; Lissner, AGS 2015, 209; a.A. OLG Stuttgart 22.5.2007 – 8 W 169/07, RVGreport 2007, 265; LG Berlin 22.5.2013 – 82 T 532/12; Vgl. hierzu auch Hansens, JurBüro 1987, 329 m. abl. Anm. zu AG Steinfurt Rpfleger 1986, 110; Hansens, Anm. zu AG Koblenz, JurBüro 1995, 200.
[18] BT-Drucks 17/11472, S. 37 f.
[19] A.A. Groß, BerH/PKH/VKH, § 2 BerHG Rn 12.

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