Rz. 10

Die Bestimmung der konkreten Geschäftsgebühr hat daher in folgenden Schritten zu erfolgen:

Auszugehen ist von der Mittelgebühr von 1,5.
Sodann sind die Kriterien des § 14 Abs. 1 zu prüfen.
Ergibt diese Prüfung, dass die Angelegenheit durchschnittlich ist, greift der Schwellenwert von 1,3.
Sodann ist isoliert anhand der Kriterien "Umfang" und "Schwierigkeit" zu prüfen, ob dieser Schwellenwert überschritten werden darf.[10]
 

Beispiel: Der Rechtsanwalt wird von einem Mandanten mit der Prüfung und außergerichtlichen Durchsetzung einer Forderung über 7.000 EUR beauftragt. Hierzu muss er zwei umfangreiche Ordner mit Korrespondenz zwischen den Parteien durchsehen. Alle übrigen Faktoren des § 14 sind durchschnittlich.

Da die Angelegenheit überdurchschnittlich umfangreich ist, kann der Anwalt den Schwellenwert von 1,3, der in der Anm. zu VV 2300 vorgesehen ist, überschreiten. Da alle übrigen Faktoren durchschnittlich sind, rechnet er die Mittelgebühr von 1,5 ab. Er erhält:

Wert: 7.000 EUR

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   669,00 EUR
2. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 689,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   130,91 EUR
Gesamt   819,91 EUR
 

Rz. 11

Zu beachten ist, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes von 1,3 gemäß Anm. zu VV 2300 bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die Angelegenheit umfangreich oder schwierig ist. Es reicht daher aus, wenn alternativ einer der beiden Faktoren überdurchschnittlich ist; es müssen also nicht beide Faktoren kumulativ überdurchschnittlich sein.[11]

 

Rz. 12

Im Zusammenhang mit dem Umfang und der Schwierigkeit ist die Besprechung mit Dritten oder der Gegenseite von besonderer Bedeutung. Sie löst zwar keine eigene Gebühr mehr aus, kann aber natürlich bei der Gebührenbemessung im Rahmen des § 14 bzw. im Hinblick auf die Frage, ob die Angelegenheit umfangreich oder schwierig ist, berücksichtigt werden. Allerdings ist eine Sache nicht schon allein deshalb als umfangreich oder schwierig anzusehen, weil ein kurzes Telefonat stattgefunden hat.[12] Denn das Wegfallen der Besprechungsgebühr diente auch dazu, die außergerichtliche Erledigung einer Angelegenheit zu erleichtern. Es sollte verhindert werden, dass das klärende Telefonat mit der Gegenseite nur deshalb unterlassen wird, um keine Besprechungsgebühr entstehen zu lassen. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn generell jede Besprechung dazu führen würde, dass die Angelegenheit als umfangreich und schwierig anzusehen ist und damit der Schwellenwert von 1,3 überschritten werden kann. Andererseits darf man nicht vergessen, dass die Besprechungsgebühr nach § 118 BRAGO dazu diente, einen tatsächlichen Mehraufwand bei der Mandatsbearbeitung abzugelten. Dieser Mehraufwand kann natürlich auch weiterhin entstehen und muss dann auch abgegolten werden. Daher führen Besprechungen, die über lediglich kurze Mitteilungen, Sachstandsanfragen oder die bloße Informationsbeschaffung hinausgehen, dazu, dass eine Angelegenheit als umfangreich und schwierig anzusehen ist.[13] Das gilt vor allem dann, wenn es zu einem Austausch widerstreitender Argumente kommt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Gesetz durch die Neuregelung die außergerichtliche Streitbeilegung fördern wollte. Dann muss aber auch das Bemühen des Anwalts um die Vermeidung eines Prozesses vergütet werden.[14] In der Praxis reicht dies aber dennoch oft nicht aus, um einen Gebührensatz über 1,3 zu begründen. Allerdings können Angelegenheiten auch umfangreich oder schwierig sein und der obere Rahmen erreicht werden, wenn keine Besprechungen stattfinden.[15]

 

Rz. 13

Insgesamt lässt sich feststellen, dass durch die Streichung der ehemals vorgesehenen Formulierung "besonders schwierig/umfangreich" im Hinblick auf die befürchteten Darstellungsschwierigkeiten nicht viel gewonnen wurde. Der Streit verlagert sich jetzt auf die Frage, wann eine Sache nur durchschnittlich schwierig/umfangreich ist.[16] Da es aufgrund der Vielzahl von Fallgestaltungen hier keine eindeutige Abgrenzung gibt, kann nur der Vergleich mit Einzelfällen weiterhelfen.

 

Rz. 14

Bei der Schwierigkeit sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Eine überdurchschnittliche Schwierigkeit zum Ansatz einer Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 kann sich beispielsweise ergeben aus:

Beschäftigung mit einer Spezialmaterie (Arzthaftungsrecht,[17] Steuerrecht,[18] Vergaberecht,[19] Konzernrecht, EU-Beihilferecht, u.U. auch Wettbewerbsrecht[20] etc.),
Einsatz von Fremdsprachenkenntnissen,
Umständen in der Persönlichkeit des Auftraggebers,[21]
Prüfung von Einwendungen gegen ein Sachverständigengutachten (insbesondere bei medizinischen oder psychiatrischen Gutachten),[22]
Notwendigkeit buchhalterischer Kenntnisse.
 

Rz. 15

Beim Umfang ist auf den zeitlichen Aufwand abzustellen, den der Rechtsanwalt in einer Angelegenheit aufbringen muss. Dabei sind neben den Zeiten, die für die Bearbeitung des Rechtsfalls notwendig sind, wozu auch die Wahrnehmung von außergerichtlic...

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