Gesetzestext

 
 
Nr. Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG
1010

Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden……

Die Gebühr entsteht für den durch besonders umfangreiche Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand.
0,3 oder bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr um 30 %

A. Sinn und Zweck der Regelung

 

Rz. 1

Mit der durch das 2. KostRMoG neu eingeführten Vorschrift der VV 1010 soll der Wegfall der nach der BRAGO noch vorgesehenen Beweisgebühr in bestimmten Ausnahmenfällen kompensiert werden, namentlich in umfangreichen Bau- oder Arzthaftungssachen. Die Gebühr soll den mit besonders umfangreichen Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand durch eine zusätzliche Gebühr bzw. durch eine Anhebung der Terminsgebühr ausgleichen.

 

Rz. 2

Nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung[1] soll die Zusatzgebühr bzw. die Erhöhung der Terminsgebühr

Zitat

"den besonderen Aufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen ausgleichen. Durch diese Gebühr sollen aber keine Fehlanreize gesetzt werden, die dazu animieren könnten, zusätzliche Beweisaufnahmetermine zu provozieren. Die Hürde bis zu einem dritten Beweistermin erscheint hierfür ausreichend."

[1] BT-Drucks 17/11471, S. 272.

B. Anwendungsbereich

 

Rz. 3

Die Vorschrift der VV 1010 gilt in allen Verfahren nach VV Teil 3, auch in Familiensachen.[2] Systematisch hätte die Vorschrift der VV 1010 an sich in VV Teil 3 angesiedelt werden müssen, da sie für alle Verfahren nach diesem Teil – aber auch nur für diesen Teil – gilt. Der Gesetzgeber hat sich allerdings dazu entschlossen, sie als Allgemeine Gebühr in VV Teil 1 zu regeln. Letztlich ist dies unerheblich. Anwendung findet diese Zusatzgebühr jedenfalls nur in Verfahren nach VV Teil 3. Um welche Art Verfahren es sich dabei handelt ist unerheblich. Sie gilt sowohl für Verfahren in denen nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird (§ 2 Abs. 1) als auch in Verfahren, in denen nach Betragsrahmen abzurechnen ist (§ 3 Abs. 1).

 

Rz. 4

VV 1010 ist auch nicht auf Erkenntnisverfahren beschränkt, sondern kann auch in anderen Verfahren greifen, z.B. in einem selbstständigen Beweisverfahren. Sie gilt auch für einen Terminsvertreter oder einen Beweisanwalt (VV 3401). Sie kann theoretisch auch für den Verkehrsanwalt (VV 3400) gelten, da eine Teilnahme an den Terminen nicht Tatbestandsvoraussetzung ist (Rdn 26).

[2] Siehe hierzu N. Schneider, NZFam 2015, 411.

C. Voraussetzungen

I. Überblick

 

Rz. 5

Voraussetzungen der Zusatzgebühr bzw. der Gebührenerhöhung sind

besonders umfangreiche Beweisaufnahmen einerseits und
mindestens drei gerichtliche Termine, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden, andererseits.

Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

II. Besonderer Umfang

 

Rz. 6

Zunächst einmal ist Voraussetzung, dass eine "besonders umfangreiche Beweisaufnahme" stattgefunden hat. Eine bloß umfangreiche Beweisaufnahme genügt nicht. Sie muss besonders umfangreich gewesen sein.

 

Rz. 7

Die entsprechenden Kriterien wird die Rechtsprechung sicherlich noch herausarbeiten. Insoweit kann man sich gegebenenfalls an die §§ 42 und 51 anlehnen, die ebenfalls einen "besonderen Umfang" voraussetzen.

 

Rz. 8

Klargestellt ist jedenfalls durch das Tatbestandsmerkmal der "besonders umfangreichen Beweisaufnahme", dass drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen für sich allein nicht ausreichen, um einen besonderen Umfang anzunehmen.

 

Rz. 9

 

Beispiel: In einem Verfahren kommt es zu drei Beweisterminen, in denen jeweils ein Zeuge für jeweils zehn Minuten vernommen wird.

Von einem besonderen Umfang der Beweisaufnahme kann nicht ausgegangen werden. Eine Zusatzgebühr entsteht nicht.

 

Rz. 10

Andererseits fordert der Wortlaut nicht, dass sich der besondere Umfang gerade aus der Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen ergeben muss. Es genügt, dass die Beweisaufnahme insgesamt besonders umfangreich war.

 

Rz. 11

 

Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Vor der Vernehmung der Zeugen war es zu zahlreichen und umfangreichen Sachverständigenterminen und mehreren Gutachten gekommen.

Jetzt kann ein besonderer Umfang vorliegen, sodass durch die drei Zeugenvernehmungstermine die Zusatzgebühr ausgelöst wird.

III. Mindestens drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen

1. Überblick

 

Rz. 12

Zum besonderen Umfang hinzukommen muss, dass mindestens drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen stattgefunden haben.

 

Rz. 13

Die Termine müssen in derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 stattgefunden haben, also im selben Rechtszug (siehe § 17 Nr. 1).

 

Rz. 14

Zu beachten ist, dass das selbstständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren oder ein Verfahren vor und nach Zurückverweisung jeweils gesonderte Angelegenheiten darstellen, sodass jeweils gesondert gezählt werden muss. Die Anrechnung der Verfahrensgebühr in diesen Fällen (VV Vorb. 3 Abs. 5) ist unerheblich, zumal die Terminsgebühren jeweils gesondert anfallen.

2. Zeugenvernehmungstermine

 

Rz. 15

Termine zur Vernehmung eines Zeugen müssen solche nach den §§ 394 ff. Z...

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