a) Verschiedene Einzelinteressen

 

Rz. 16

Hat der Anwalt mindestens zwei Auftraggeber, ist insoweit S. 1 Genüge getan und die Möglichkeit eröffnet, die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr nach der Anzahl der Mandanten zu erhöhen, falls auch die weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Ob nur eine Einzelvertretung vorliegt oder mindestens eine weitere Person hinzutritt und damit eine Mehrfachvertretung gegeben ist, beurteilt sich nach den verschiedenen Interessen, die an der Vertretung beteiligt sind. Sind diese personenverschieden, so hat das für den Anwalt die typischerweise vermutete Mehrbelastung gegenüber einer Einzelvertretung zur Folge.

 

Rz. 17

An dieser Vielfalt kann es allerdings grds. fehlen, wenn der Anwalt nicht die Summe der jeweiligen Einzelinteressen vertritt, sondern ein bereits gebündeltes Gesamtinteresse von eigenständiger Bedeutung vorfindet. Deshalb wird eine Mehrfachvertretung in Rechtsprechung und Literatur teilweise dann verneint, wenn die Interessen mehrerer Personen ausnahmsweise derart verselbstständigt, gleichgerichtet und vereinheitlicht sind, dass tatsächlich nur von einer einzigen Interessenwahrnehmung gesprochen werden kann.[24]

[24] Vgl. OLG Naumburg 22.4.2014 – 2 Verg 5/12 für eine Bietergemeinschaft im Vergabenachprüfungsverfahren; OLG Karlsruhe AGS 2008, 84 (faktischer Zusammenschluss von Unternehmen zwecks Bündelung des Beschaffungsbedarfs und zur Durchführung einer gemeinsamen Ausschreibung).

b) Die BGB-Gesellschaft als Mandantin

aa) Aktiv- und Passivprozesse der GbR

 

Rz. 18

Nach der Rechtsprechung (siehe § 7 Rdn 18) kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) selbst als Mandantin auftreten mit dem Ziel einer eigennützigen Interessenvertretung. Soweit es um ihre "persönlichen" Belange geht, bedarf es nicht einer Vertretung der (gesamthänderisch verbundenen) Einzelinteressen der Gesellschafter, sondern findet eine unmittelbare Vertretung des Gesamthandsinteresses statt, weil diesem eigene Subjektivität zukommt.[25] So werden Sozietäten von Rechtsanwälten,[26] Ingenieuren,[27] Steuerberatern[28] oder Architekten,[29] aber auch ärztliche Gemeinschaftspraxen[30] teilweise wie ein Auftraggeber behandelt, wenn sie Honoraransprüche verfolgen (Aktivprozesse) oder sich gegen die Ansicht zur Wehr setzten, solche Ansprüche stünden ihnen nicht zu (Passivprozesse).[31] Gleiches gilt für sog. Vermietungsgesellschaften im Geschäftsleben, insbesondere wenn sie als Firma auftreten,[32] oder für Arbeitsgemeinschaften (Arge) von Bauunternehmen.[33]

[25] Zur Parteibezeichnung in diesen Fällen siehe Wertenbruch, NJW 2002, 324 und Kemke, NJW 2002, 2218. Unklar BGH 5.1.2004 – II ZB 22/02, AnwBl 2004, 251.
[26] Vgl. OLG Hamburg MDR 2012, 433; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 645; OLG Düsseldorf Rpfleger 2000, 427 und JurBüro 1998, 142; OLG Koblenz JurBüro 1994, 729.
[27] OLG Hamm JurBüro 1986, 54; LG Hannover JurBüro 1986, 868.
[28] OLG Hamm 4.1.1996 – 23 W 205/95 (n.v.); OLG Hamm 26.8.1996 – 23 W 330/96 (n.v.).
[29] OLG Hamm JurBüro 1983, 225 m. Anm. Mümmler; OLG Nürnberg JurBüro 1979, 1007.
[30] OLG Köln RVGreport 2006, 264; SG Dortmund JurBüro 1995, 586 m. Anm. Hansens und JurBüro 1994, 731 m. Anm. Mümmler; OLG Köln JurBüro 1996, 80.
[31] OLG Hamm 10.8.2001 – 23 W 253/01 (n.v.); OLG Hamm 30.1.1997 – 23 W 514/96 (n.v.).
[32] BFH NJW 2004, 2774; OLG Hamm OLGR 1998, 348; OLG Hamm 20.8.2001 – 23 W 219/01 (n.v.); OLG Hamm 15.5.2000 – 23 W 194/00 (n.v.); a.A. wohl BGH 18.6.2002 – VIII ZB 6/02, NJW 2002, 2958.
[33] OLG Nürnberg NJW-RR 1997, 1286 und JurBüro 1983, 1656; a.A. OLG Koblenz JurBüro 1986, 556; die voraussichtliche Dauer des Zusammenschlusses ist für die maßgebliche Außenwirkung unerheblich und deshalb entgegen SchlHOLG JurBüro 1987, 1038 nicht beachtlich.

bb) Hinzutreten von Gesellschaftern

 

Rz. 19

Von der GbR als alleiniger Mandantin zu unterscheiden ist die Fallgestaltung, wo es um persönliche Verpflichtungen von Gesellschaftern geht. Wird etwa nicht nur von der Gesellschaft, sondern daneben auch von den Gesellschaftern persönlich Zahlung verlangt, so vertritt der Anwalt nicht nur das Gesamthandsinteresse, sondern darüber hinaus auch die einzelnen Abwehrinteressen der Gesellschafter. Diese sind unmittelbar betroffen und als Mandanten neben der Gesellschaft[34] gemeinschaftlich beteiligt.[35] In Betracht kommt nach der BGH-Rechtsprechung allerdings auch, dass nur die Gesellschaft als solche Auftraggeberin des Anwalts geworden ist[36] und dass die Gesellschafter als vertraglich nicht gebundene Personen von ihm mit vertreten werden. Dann fällt ein Mehrvertretungszuschlag nicht an.[37]

[35] OLG Düsseldorf MDR 2005, 1257; OLG Schleswig MDR 2003, 1202; OLG Saarbrücken OLGR 2002, 260; OLG Nürnberg JurBüro 2001, 527; OLG Hamburg MDR 1999, 256 und MDR 1989, 922; OLG Hamm AnwBl 1987, 196; OLG München MDR 1981, 328.
[36] Das hindert eine Vergütungsfestsetzung gegen die Gesellschafter; BGH 14.9.2004 – VI ZB 61/03, NJW 2005, 156; OLG Koblenz NJW 2003, 1130.
[37] Zu den gebühren- und erstattungsrechtlichen Folgen der Partei- und Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft siehe Hansens, BRAGOreport 2001, 99.

cc) Streitigkeiten unter Gesellschaftern

 

Rz. 20

Bei Streitigk...

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