Rz. 22

Für die Entstehung der Verfahrensgebühr muss der Anwalt vom Mandanten gemäß Abs. 1 S. 1 zum Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten bestellt werden.[17] Dabei spielt jedoch nicht die Vollmacht, sondern der im Innenverhältnis erteilte Auftrag die maßgebliche Rolle,[18] der schriftlich, mündlich oder auch durch konkludentes Handeln erteilt werden kann.

 

Rz. 23

Zwar ergibt sich aus § 81 ZPO, dass die dem Rechtsanwalt erteilte Prozessvollmacht "zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Vollstreckung veranlasst werden" ermächtigt. Damit wird aber nur der Umfang der Prozessvollmacht im Außenverhältnis festgelegt. Für die Frage, welchen Auftrag der Mandant im Innenverhältnis erteilt und für den er folglich gebührenrechtlich auch einzustehen hat, ist die Prozessvollmacht nur ein Indiz. Denn sie betrifft nur das Außenverhältnis und bildet nicht zwingend den genauen Inhalt des Auftrags ab, zumal sie in der Praxis oft als sehr umfassende Formularvollmacht erteilt wird.

 

Rz. 24

Wenn im Außenverhältnis beispielsweise Prozessvollmacht erteilt wurde, im Innenverhältnis aber nur ein Auftrag zu einer Einzeltätigkeit, dann kann die Verfahrensgebühr nach VV 3100 nicht entstehen.[19] Der Inhalt des Auftrags ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Im Ergebnis zutreffend heißt es in der Entscheidung des OLG Koblenz[20] wie folgt:

Zitat

"Zwar ermächtigt die Prozessvollmacht (gemäß § 81 ZPO im Außenverhältnis) den Prozessbevollmächtigten auch zur Verteidigung gegen die Widerklage. Die Partei kann jedoch im Innenverhältnis den Prozessauftrag beschränken und ein Mandat zur Verteidigung gegen die Widerklage ablehnen. Behauptet der Rechtsanwalt, seine Partei habe ihm nach vorangegangener ausdrücklicher Mandatsablehnung in der mündlichen Verhandlung ein Widerklagemandat erteilt, so trägt er dafür die Darlegungs- und Beweislast. Ein solches Mandat wird nicht schlüssig dadurch erteilt, dass die Partei bei der Antragstellung zur Widerklage in der mündlichen Verhandlung zugegen ist."

Die Differenzierung zwischen Vollmacht und Auftrag ist zutreffend. Soweit der Senat jedoch ausführt, dass allein die Anwesenheit bei der Antragstellung hinsichtlich des Widerklageantrags nicht ausreichen würde, um von einer Mandatserweiterung auszugehen, kann dem nicht gefolgt werden. Da die Erweiterung des Auftrags auch stillschweigend erfolgen kann, kann in der widerspruchslosen Hinnahme der Antragstellung durch den Anwalt eine solche schlüssige Mandatserweiterung gesehen werden.

 

Rz. 25

Entscheidend ist die Auslegung auch in Fällen der bedingten Auftragserteilung: Wird der Anwalt mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragt, wobei er die Gegenseite zunächst außergerichtlich zur Zahlung auffordern und dann den Anspruch gerichtlich geltend machen soll, können darin zwei unterschiedliche Aufträge liegen.

Entweder ein unbedingter Auftrag zur außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung und zusätzlich der unter einer aufschiebenden Bedingung erteilte Auftrag, im Fall des Scheiterns der außergerichtlichen Durchsetzung Klage einzureichen.
Oder aber ein unbedingter Auftrag zur Klageeinreichung, wobei der Anwalt lediglich die Gegenseite noch außergerichtlich zur Leistung auffordern soll, um sie in Verzug zu setzen.

Bei Verhandlungen mit Versicherern dürfte eine Vermutung dafür sprechen, dass der Anwalt zunächst mit einer außergerichtlichen Regelung beauftragt war und die Prozessvollmacht nur für den Fall erteilt wurde, dass diese scheitert.[21] Einen allgemeinen Rechtssatz, wonach der Anwalt im Zweifel einen gerichtlichen bzw. außergerichtlichen Auftrag erhalten hat, wird man darüber hinaus jedoch kaum aufstellen können, da immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind.

[17] Hartmann/Toussaint, KostR, VV 3100 Rn 4; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, VV Teil 3 Vorb. 3 Rn 9; Bonnen, MDR 2005, 1084; Meyer, JurBüro 2004, 575; Podlech-Trappmann, JurBüro 2004, 351, 356; Volpert, RVGprof. 2004, 145; OLG Brandenburg JurBüro 2002, 365; OLG Bremen MDR 2003, 1143; OVG Koblenz NJW 1983, 1509. Nach OLG Koblenz (AGS 2004, 443 = JurBüro 2004, 593) ist die Rüge des Mandanten, er habe keinen Auftrag erteilt, im Festsetzungsverfahren nach § 11 unbeachtlich, wenn sich aus aktenkundigen Schreiben des Mandanten ergibt, dass diese Einwendung aus der Luft gegriffen ist.
[18] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3100 Rn 14 ff. und 33; Hartmann/Toussaint, KostR, VV 3100 Rn 12 f.; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, VV Teil 3 Vorb. 3 Rn 11; OLG Hamm JurBüro 1997, 311; OLG München AnwBl 1993, 576; OLG Saarbrücken NJW-RR 1997, 189.
[19] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3100 Rn 15.
[20] OLG Koblenz JurBüro 1991, 860.
[21] Vgl. Madert, AGS 1999, 97.

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