1. Gegenstand des Forderungsübergangs

 

Rz. 6

Ein gesetzlicher Forderungsübergang bezweckt im Allgemeinen, wie auch hier, dass der hilfsweise Leistende bei dem "eigentlichen" (Haupt-)Schuldner Rückgriff nehmen können soll, soweit er in dessen Interesse den Gläubiger befriedigt hat. Übergehen kann daher nur ein Anspruch in der Person des Gläubigers und gegenüber dem Schuldner, der von der Zahlung profitiert. Als übergangsfähige Forderung des beigeordneten oder bestellten Anwalts kommt daher

einerseits sein Vergütungsanspruch gegen die Partei und
zum anderen sein zusätzliches Beitreibungsrecht gegen den Gegner (§ 126 ZPO)

in Betracht.[2] Abs. 1 S. 1 lässt beide Forderungen übergehen.

2. Gesetzlicher Forderungsübergang

 

Rz. 7

Der Übergang erfolgt gem. § 412 BGB.[3] Diese Vorschrift erfasst alle Fälle eines gesetzlichen Forderungsübergangs. Daher gelten die für entsprechend anwendbar erklärten §§ 399 bis 404 und 406 bis 410 BGB auch hier, soweit diese Bestimmungen einschlägig sind. Anwendbar sind insbesondere § 401 BGB (Übergang von Sicherungsrechten), § 402 BGB (Auskunftspflicht des Anwalts über den Bestand der Forderung), § 404 BGB (Fortbestand von Einwendungen)[4] sowie der Gutglaubensschutz nach den §§ 406 und 407 BGB.

[3] LAG Mecklenburg-Vorpommern 20.2.2012 – 5 Ta 37/11.
[4] LAG Mecklenburg-Vorpommern 20.2.2012 – 5 Ta 37/11.

3. Anspruch gegen Streitgenossen

a) Kein gesetzlicher Forderungsübergang

 

Rz. 8

Nicht erfasst vom gesetzlichen Forderungsübergang wird hingegen ein Anspruch des beigeordneten Anwalts gegenüber einem Streitgenossen der bedürftigen Partei, den er ebenfalls in der nämlichen Sache vertritt. Dieser haftet zwar auch in voller Höhe (siehe § 7 Rdn 49). Für ihn ist die Staatskasse aber nicht unterstützungspflichtig und sie leistet nicht für ihn. Dem Streitgenossen der bedürftigen Partei kommt die Zahlung an den gemeinsamen Anwalt bis zur Höhe der Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49[5] allerdings wirtschaftlich zugute, falls die Staatskasse damit mehr zahlt, als die Partei im Innenverhältnis ihrem Streitgenossen gegenüber zu zahlen gehabt hätte (vgl. Rdn 29). In diesem Fall stünde der Partei, würde sie selbst geleistet haben, ein interner Ausgleichsanspruch zu, der gem. § 426 Abs. 2 S. 1 BGB durch den gesetzlichen Übergang der Vergütungsforderung des Anwalts gesichert wäre. Dieser Anspruch kann jedoch nach den Grundsätzen des gesetzlichen Forderungsübergangs nicht auf die Staatskasse übergehen, weil er nicht in der Person des von ihr befriedigten Anwalts besteht.[6]

 

Rz. 9

Nach anderer Auffassung kann die Staatskasse den bürgerlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch der Partei gegen den nicht bedürftigen Streitgenossen analog § 426 BGB erwerben, soweit sie mehr als den Anteil des Streitgenossen, dem Prozesskostenhilfe bewilligt ist, gezahlt hat.[7] Nach einer weiteren Auffassung ist auch der vom beigeordneten Anwalt mitvertretene nicht bedürftige Streitgenosse als Partei i.S.v. § 59 Abs. 1 anzusehen, so dass, soweit dem Anwalt ein Anspruch gegen den nicht bedürftigen Streitgenossen zusteht, dieser mit der Befriedigung des Anwalts durch die Staatskasse auf diese übergeht.[8] Diese Probleme stellen sich nicht bzw. der Rückgriff der Staatskasse auf den nicht bedürftigen Streitgenossen kann dadurch vermieden werden, dass dem Anwalt gegen die Staatskasse nur ein Anspruch nur in der Höhe zuerkannt wird, den der Mandant, dem er beigeordnet wurde, im Innenverhältnis zum gleichzeitig vertretenen Streitgenossen zu tragen hat.[9]

[5] Vgl. OLG Düsseldorf OLGR 1997, 340; OLG München NJW-RR 1997, 191; OLG Stuttgart JurBüro 1997, 200; OLG Karlsruhe AGS 2013, 20; OLG Naumburg AGS 2013, 132; vgl. hingegen auch: OLG München AGS 2011, 76; OLG Köln NJW-RR 1999, 725. Die Entscheidung des BGH 1.3.1993 – II ZR 179/91, NJW 1993, 1715 betrifft die verfahrensrechtliche Beiordnung, nicht den Umfang der Vergütung. Deshalb besteht insoweit kein Widerspruch.
[6] Vgl. OLG Celle JurBüro 1984, 1248.
[7] Vgl. OLG Karlsruhe AGS 2013, 20; OLG Naumburg AGS 2013, 132; OLG München AGS 2011, 76; OLG München NJW-RR 1997, 191; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 59 Rn 37; Dürbeck/Gottschalk, PKH/VKH, Rn 940.
[8] BayLSG AGS 2013, 478 = RVGreport 2013, 467.

b) Zivilrechtliche Geltendmachung

 

Rz. 10

Der Staatskasse ist es daher verwehrt, einen ausgleichungspflichtigen Streitgenossen der bedürftigen Partei nach § 59 auf Zahlung in Anspruch zu nehmen. Sie hat nur die Möglichkeit, anstelle der Partei zivilrechtlich[10] vorzugehen, soweit sie für diese gezahlt hat. Kommt der Streitgenosse einer solchen Zahlungsaufforderung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (vgl. Teil I A Nr. 2.4.2 VwV Vergütungsfestsetzung) nicht freiwillig nach, so hat dieser den Vorgang dem Gerichtspräsidenten vorzulegen, der darüber entscheidet, ob zivilrechtliche Leistungsklage erhoben werden soll, Teil I A Nr. 2.4.3 S. 2 VwV Vergütungsfestsetzung. Um auf den Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs aufmerksam zu machen, hat der Urkundsb...

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