Rz. 158

Ein eindeutiger und damit leicht feststellbarer Verstoß gegen den Grundsatz kostensparender Prozessführung kann aber ausnahmsweise im Festsetzungsverfahren nach § 55 zu berücksichtigen sein. So hat das OLG Hamm[332] eine zum Verlust des Vergütungsanspruchs führende Pflichtwidrigkeit in einem Fall bejaht, in dem der beigeordnete Anwalt die Sorgerechts- und die Umgangsregelung zunächst in getrennten Verfahren anhängig gemacht hatte. Zwar wurde der Rechtsanwalt in jedem der beiden Verfahren im Wege der PKH beigeordnet. Das Gericht hat jedoch kurze Zeit nach Anhängigmachung der Verfahren und Bewilligung der PKH die beiden Verfahren miteinander verbunden. Die Tätigkeiten in den beiden ursprünglich eigenständigen Verfahren waren nach Auffassung des OLG Hamm nicht aus der Staatskasse zu vergüten. Denn ohne PKH hätte sich der Anwalt bei einer derart getrennten Antragstellung gegenüber seinem Mandanten wegen positiver Forderungsverletzung schadensersatzpflichtig gemacht mit der Folge, dass er den Vergütungsanspruch nicht hätte geltend machen können. Kann der Vergütungsanspruch gegen die Partei nicht durchgesetzt werden, kann die Staatskasse nicht schlechter stehen als der Mandant.[333]

 

Rz. 159

Folge eines Anwaltsverschuldens, das bei Nichtbewilligung der PKH die Durchsetzung einer Vergütungsforderung gegen den Mandanten vereitelt hätte, darf nicht der Erwerb einer Anwaltsvergütung für eben die wegen des Anwaltsverschuldens unzulässige Prozess- oder Verfahrenshandlung gegen die Staatskasse sein. So wird trotz der Beiordnung ein Vergütungsanspruch für ein verspätet eingelegtes und als unzulässig verworfenes Rechtsmittel verneint, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus eigenem Verschulden versäumt hat.[334]

[332] OLG Hamm JurBüro 2009, 98.
[333] Vgl. auch BGH 15.7.2004 – IX ZR 256/03, NJW 2004, 2817; BVerwG Rpfleger 1995, 75; OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 558.
[334] BVerwG Rpfleger 1995, 75; OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 558.

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