Rz. 209

Ist die eigene Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt, so geht der Erstattungsanspruch gegen den Gegner nur auf die Nettogebühren (§ 104 Abs. 2 S. 3 ZPO); vgl. dazu auch Rdn 205. Das gilt auch dann, wenn der Anwalt die Kosten gem. § 126 ZPO im eigenen Namen beitreibt, da dieser Anspruch inhaltlich nicht weiter reichen kann als der Erstattungsanspruch nach § 104 ZPO; ansonsten würde sich aus der Bewilligung von PKH letztlich eine unzulässige Verpflichtung zu Lasten des Gegners ergeben, weil dieser dann mehr erstatten müsste als ohne die Bewilligung.[403] Dem beigeordneten Anwalt bleiben jedoch zwei Möglichkeiten, um die von ihm zu erhebende und an den Fiskus abzuführende Umsatzsteuer zu vereinnahmen:

[403] Vgl. OLG München 11.8.2016 – 11 W 1281/16; BGH 12.6.2006 – II ZB 21/05, AGS 2007, 628 = RVGreport 2006, 392 = NJW-RR 2007, 285; OLG Hamburg AGS 2013, 428 = RVGreport 2013, 348 = NJW-Spezial 2013, 572; siehe ferner OLG Hamm AGS 2003, 83 = JurBüro 2002, 33; Benkelberg, AGS 2008, 105.

a) Verrechnung auf den Umsatzsteueranteil

 

Rz. 210

Einerseits kann er zunächst die Grundvergütung gegenüber der Staatskasse einfordern und diese sodann auf den Umsatzsteueranteil "verrechnen", indem er den von der Staatskasse erhaltenen Betrag von der Regelvergütung einschließlich Umsatzsteuer abzieht und nur noch den Restbetrag vom Gegner geltend macht.

 

Beispiel: Die volle Anwaltsvergütung beträgt brutto 1.190 EUR, die Grundvergütung brutto 812 EUR. Der Erstattungsanspruch gegen den Gegner beläuft sich auf 1.000 EUR netto.

Der Anwalt kann nach Erhalt der Grundvergütung von 812 EUR vom Gegner nach § 126 ZPO weitere 378 EUR einfordern und damit seine volle Bruttovergütung erreichen. Der Staatskasse steht zwar ein Erstattungsanspruch in Höhe ihrer Zahlung von 812 EUR zu; sie kann diesen aber nur in Höhe des verbleibenden Restbetrages von 622 EUR (1.000 EUR–378 EUR) geltend machen (vgl. § 59 Rdn 27).

b) Geltendmachung der Umsatzsteuer bei der Partei

 

Rz. 211

Zum anderen hat die bedürftige Partei keinen wirtschaftlichen Nachteil, wenn sie die Umsatzsteuer selbst zahlt, da sie den Betrag (vorher) vom Fiskus einfordern kann. Deshalb wird die Geltendmachung der Umsatzsteuer gegenüber der bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei von der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht erfasst.[404] Der Anwalt kann der Partei eine Rechnung stellen und von ihr die Umsatzsteuer einfordern. Die Partei kann sich nach Erstellung einer den umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen entsprechenden Kostenrechnung durch den Rechtsanwalt die an diesen gezahlte Umsatzsteuer von ihrem Finanzamt im Wege des Vorsteuerabzugs erstatten lassen. Für die vorsteuerabzugsberechtigte Partei stellt somit der ihr von dem Prozessbevollmächtigten in Rechnung zu stellende Umsatzsteuerbetrag einen durchlaufenden Posten dar. Wird der Rechtsanwalt auf diese Weise insoweit befriedigt, hat er das der Staatskasse anzuzeigen (Abs. 5), um eine Anrechnung zu ermöglichen (§ 58).

[404] BGH 12.6.2006 – II ZB 21/05, AGS 2007, 628 = RVGreport 2006, 392 = NJW-RR 2007, 285; OLG Hamburg AGS 2013, 428 = RVGreport 2013, 348 = NJW-Spezial 2013, 572.

c) Übergangsanspruch bei Geltendmachung der Umsatzsteuer bei der Partei

 

Rz. 212

Wird die Umsatzsteuer bei der eigenen Partei geltend gemacht, darf das aber nicht zum Anlass genommen werden, auch bei der Ermittlung des Übergangsanspruchs gem. § 59 im Kostenfestsetzungsverfahren nur die aus der Staatskasse gezahlte Netto-Grundvergütung zu berücksichtigen, weil die Landeskasse den Erstattungsanspruch der Partei bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts nur in dem Zustand erwerben kann, in dem sich der Anspruch bei Übergang befindet.

Zutreffend ist es vielmehr, bei der Ermittlung des Übergangsanspruchs die Brutto-Grundvergütung zu berücksichtigen.

 

Beispiel:

Der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger (PKH) obsiegt im Prozess gegen den Beklagten.

 
Wahlanwaltsvergütung netto (ohne USt.) 1.500,00 EUR
Wahlanwaltsvergütung brutto (mit USt.) 1.740,00 EUR
PKH-Vergütung netto (ohne USt.) 700,00 EUR
PKH-Vergütung brutto (mit USt.) 812,00 EUR

Der PKH-Anwalt hat trotz der in § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO angeordneten Sperrwirkung einen Anspruch gegen den eigenen Mandanten auf Zahlung der Umsatzsteuerbeträge. Folglich sind nach § 59 für die Berechnung des Übergangsanspruchs zu berücksichtigen:

 
Anspruch gegen den unterlegenen Beklagten (Wahlanwaltsvergütung ohne Umsatzsteuer)   1.500 EUR
Anspruch gegen die eigene Partei auf Umsatzsteuer   240 EUR
Zwischensumme: 1.740 EUR  
abzgl. aus Landeskasse gezahlter – 812 EUR  
Restanspruch des PKH-Anwalts   928 EUR

Dieser Restanspruch in Höhe von 928 EUR ist jedoch nicht in voller Höhe gegen den Beklagten festsetzbar, da dieser letztlich nur mit 1.500 EUR (Wahlanwaltsvergütung ohne Umsatzsteuer) belastet werden darf. Von den insgesamt vom Beklagten zu erstattenden 1.500 EUR werden 812 EUR von der Landeskasse gem. § 59 geltend gemacht, so dass für den PKH-Anwalt daher noch die Differenz zwischen 812 EUR und 1.500 EUR in Höhe von 688 EUR gegen den Beklagten festsetzbar ist.

Wegen der Umsatzsteuer in Höhe von 240 EUR steht dem PKH-Anwalt lediglich ein Anspruch gegen die eigene Partei zu.

Der PKH-Anwalt erh...

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