Rz. 48

Der beigeordnete oder bestellte Anwalt braucht die ihm übertragenen Aufgaben nicht höchstpersönlich auszuführen. Er kann sich der Mithilfe eines Unterbevollmächtigten bedienen. Entweder beauftragt er ihn selbst oder aber er stellt für die Partei einen Antrag auf weitere Beiordnung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts. Letzteres kann sich anbieten oder sogar geboten sein, wenn es um die Wahrnehmung eines Termins geht, der bei dem beigeordneten oder bestellten Anwalt dem Grunde nach ersatzfähige Reisekosten verursachen würde, die etwa gleich hoch oder höher wären als die zusätzlichen Anwaltskosten.[87] Macht der Anwalt von der erstgenannten Möglichkeit Gebrauch, so ist die Zuziehung des Unterbevollmächtigten seine Angelegenheit und muss er auch für dessen Vergütung aufkommen.

 

Rz. 49

Ob er diese Kosten ganz oder teilweise als Auslagen von der Staatskasse ersetzt verlangen kann, beurteilt sich gleichfalls nach den Grundsätzen des Auftragsrechts (vgl. Rdn 40). Werden mit der Vergütung an den Unterbevollmächtigten Tätigkeiten abgegolten, die zum Leistungsbild der Gebühren des beigeordneten Anwalts gehören, hat dieser sich lediglich zur Erfüllung seiner eigenen Verpflichtung eines Dritten bedient. Die Kosten einer derartigen "Entlastung" muss er selbst tragen; im Verhältnis zur Staatskasse ist die Tätigkeit mit der jeweiligen Gebühr bereits bezahlt.

 

Beispiel: In einem Zivilprozess ist der beigeordnete Anwalt verhindert, einen Fortsetzungstermin wahrzunehmen. Er beauftragt einen Unterbevollmächtigten.

Die Wahrnehmung von Gerichtsterminen gehört zum Leistungsbild der Verfahrensgebühr und ist mit dieser abgegolten. Die halbe Verfahrensgebühr des Unterbevollmächtigten (VV 3401) muss der beigeordnete Anwalt selbst tragen. Ebenso eine Terminsgebühr, etwa wenn diese Gebühren anlässlich eines früheren Termins schon in dessen Person entstanden war (VV Vorb. 3.4 Abs. 1 i.V.m. VV 3104).

 

Rz. 50

Hat der Unterbevollmächtigte hingegen Leistungen erbracht, die als Gegenstand eines Gebührentatbestands von dem beigeordneten oder bestellten Anwalt (noch) nicht erbracht worden sind, so richtet sich die Ersatzpflicht der Staatskasse ihm gegenüber danach, was er dieser Leistungen wegen zusätzlich in Rechnung stellen könnte, falls er sie selbst erbracht haben würde (§ 5).[88]

 

Variante: Es findet nur ein Haupttermin mit dem Unterbevollmächtigten statt, in dem verhandelt und Beweis erhoben wird.

Der beigeordnete Anwalt hatte bis dahin nur die Verfahrensgebühr verdient. Die Verhandlung wird davon nicht erfasst. Diese Leistung kann er der Staatskasse so in Rechnung stellen, wie sie zu vergüten wären, wenn er selbst gehandelt hätte (§ 5). Mithin sind ihm die Aufwendungen für den Unterbevollmächtigten in Höhe der Terminsgebühr nach VV 3104 zu ersetzen.[89] Hingegen fällt eine Verfahrensgebühr nach VV 3401 im Verhältnis zur Staatskasse nicht an.

 

Rz. 51

Kommen Aufwendungen des beigeordneten Anwalts für einen Unterbevollmächtigten der Staatskasse mittelbar zugute, weil bei ihr andere, ggf. gar höhere Kosten angefallen wären, wenn der beigeordnete Anwalt die Leistungen selbst erbracht hätte, muss sie nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung diese Aufwendungen insoweit tragen, als sie dadurch anderweitig etwas erspart hat. Die Staatskasse soll durch die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten keine Schlechterstellung erfahren, andererseits davon aber auch nicht zu Lasten des beigeordneten Anwalts profitieren können. Praktische Bedeutung erlangt die Vorteilsausgleichung unter dem Gesichtspunkt ersparter Reisekosten des beigeordneten Anwalts. Dieser beauftragt für gewöhnlich einen Unterbevollmächtigten nur deshalb, um Terminsreisen zu vermeiden. Soweit die Staatskasse verpflichtet gewesen wäre, die Reisekosten des beigeordneten Anwalts zu tragen, falls dieser den Termin selbst wahrgenommen hätte (vgl. Rdn 9 ff.), muss sie seine Aufwendungen für den Unterbevollmächtigten übernehmen (siehe Rdn 48).[90]

[88] OLG Hamm 18.10.2013 – II-6 WF 166/13, AGS 2014, 194; Vertretung des bestellten Verteidigers (LG Aachen JurBüro 1991, 1185; LG Frankenthal AnwBl 1985, 1962) oder des Nebenklagevertreters (OLG Zweibrücken JurBüro 1985, 543).
[89] So zutreffend OLG Brandenburg AnwBl 2007, 728 = AGS 2008, 293 und 194; LAG Niedersachsen AGS 2006, 608.
[90] LAG Hamm AGS 2007, 142; LG München JurBüro 2006, 603.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge