Gesetzestext

 

(1) Teil 3 Abschnitt 1, 2 und 4 des Vergütungsverzeichnisses ist auf die folgenden außergerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden:

1. schiedsrichterliche Verfahren nach Buch 10 der Zivilprozessordnung und
2. Verfahren vor dem Schiedsgericht (§ 104 des Arbeitsgerichtsgesetzes).

(2) Im Verfahren nach Absatz 1 Nr. 1 erhält der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch, wenn der Schiedsspruch ohne mündliche Verhandlung erlassen wird.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Auf die Tätigkeit im schiedsrichterlichen Verfahren sind nach Abs. 1 Nr. 1 nur die Bestimmungen des VV Teil 3 Abschnitte 1, 2 und 4 anzuwenden. Es gelten also die Vorschriften für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten für den ersten und zweiten Rechtszug sowie für Einzeltätigkeiten.[1] Der Ansatz der Geschäftsgebühr aus VV Teil 2 Abschnitt 3 kommt nicht in Betracht.[2]

Das Verfahren über die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen ist eine besondere Angelegenheit, für die der Prozessbevollmächtigte des schiedsrichterlichen Verfahrens – ohne Differenzierung danach, ob es sich um einen inländischen oder um einen ausländischen Schiedsspruch handelt – die Gebühren der VV 3100 ff. besonders erhält.[3] Entgegen einer weitläufigen Ansicht handelt es sich nicht um eine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung, für die nur eine 0,3-Verfahrensgebühr entsteht. Durch das Vollstreckbarerklärungsverfahren wird nämlich erst ein Vollstreckungstitel und damit die Voraussetzung der Zwangsvollstreckung geschaffen. Ein Schiedsspruch, der noch keinen Zwangsvollstreckungstitel darstellt, bedarf nämlich erst der Vollstreckbarerklärung als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung (§§ 1060 Abs. 1, 1061 ZPO).[4]

[1] BeckOK RVG/v. Seltmann, RVG § 36 Rn 3.
[3] Gerold/Schmidt/Mayer, § 36 Rn 10; OLG Hamburg 2.11.2017 – 8 W 69/17.

I. Schiedsrichterliche Verfahren nach Buch 10 der ZPO (Abs. 1 Nr. 1)

 

Rz. 2

Der Begriff des schiedsrichterlichen Verfahrens i.S.d. § 36 bezieht sich auf Verfahren vor privaten Schiedsgerichten, die aufgrund einer Schiedsvereinbarung (Schiedsabrede oder Schiedsklausel) gemäß § 1029 ZPO oder in gesetzlich statthafter Weise aufgrund einer letztwilligen oder anderen nicht auf Vereinbarung beruhenden Verfügung (z.B. Satzung)[5] gemäß § 1066 ZPO zuständig sind. Die Vorschrift findet aber ebenso Anwendung in Verfahren vor Schiedsgerichten, die von Gesetzes wegen eingerichtet worden sind, wenn die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO über das schiedsgerichtliche Verfahren darauf Anwendung finden (z.B. gemäß § 8 S. 1 des Gesetzes über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen vom 17.8.1955, BGBl I S. 524).[6] Das schiedsrichterliche Verfahren beginnt gemäß § 1044 ZPO mit dem Tag, an dem der Beklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat. Gebührenrechtlich beginnt allerdings das Verfahren bereits mit der Erteilung des Auftrags gegenüber dem Anwalt. Es endet gemäß § 1056 ZPO mit dem Schiedsspruch oder dem Beschluss des Schiedsgerichts auf Feststellung der Beendigung des Schiedsverfahrens. Die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO differenzieren begrifflich bewusst zwischen "Gericht", gemeint sind die staatlich eingerichteten und nach dem Grundgesetz (Art. 92 GG) garantierten Gerichte, und "Schiedsgericht", gemeint sind private Gerichte. Die sprachliche Differenzierung hat neben verfahrensrechtlichen Auswirkungen auch gebührenrechtliche Folgen und zwar dergestalt, dass § 36 nur für diejenigen Verfahren gilt, die vor dem Schiedsgericht geführt werden und bei denen es sich mangels hoheitlich eingerichteter Gerichtsbarkeit um außergerichtliche Tätigkeiten handelt.

 

Rz. 3

VV Teil 3 Abschnitte 1, 2, und 4 finden deshalb auf die im schiedsrichterlichen Verfahren ausgeübten Tätigkeiten nur deshalb Anwendung, weil Teil 2 über VV Vorb. 2 Abs. 1 i.V.m. § 36 abbedungen ist. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung insbesondere klarstellen, dass die Tätigkeit vor dem Schiedsgericht mit derjenigen vor einem staatlichen Gericht gleichzustellen und eine gebührenrechtliche Schlechterstellung nicht gerechtfertigt sei. Durch das 2. KostRMoG hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des VV Teil 3 um Abschnitt 4 klarstellend erweitert, weil er offenbar vergessen hatte, dass auch im schiedsrichterlichen Verfahren Einzeltätigkeiten (Verkehrsanwalt, Terminsvertreter und sonstige Einzeltätigkeiten) vergütungsrechtlich zu erfassen sind. Der Gesetzgeber hat insoweit eine Regelung getroffen, die die Praxis in der Vergangenheit durch eine eigentlich unzulässige Analogie bereits umgesetzt hatte.

 

Rz. 4

Anwendung findet § 36:

in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, in denen die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung inzidenter geprüft wird (§ 1032 Abs. 1 ZPO); die VV 3100 ff. finden unmittelbare Anwendung.[7]

soweit die Vorschriften der VV Vorb. 3.1 Abs. 1 und 2, Vorb. 3.2.1 Nr. 2c), § 16 Nr. 8 und 9 sowie § 17 Nr. 6 für die dort genannten selbstständigen Gebührenangelegenheiten greifen:

in Verfahren vor dem ordentlichen Gericht, soweit es dort nur um die Frage der (Un-)...

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