1. Fehlen einer Vereinbarung

 

Rz. 87

Die Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts setzt voraus, dass zwischen den Parteien für die anwaltliche Beratung, Begutachtung oder Mediation keine Vereinbarung nach Abs. 1 S. 1 getroffen worden ist (Abs. 1 S. 2). Nachdem die Vorschrift als Auffangtatbestand formuliert und systematisiert wurde, entspricht dem Anwendungsbereich des Abs. 1 S. 2 auch eine getroffene, aber unwirksame Vereinbarung. Erweist sich die Gebührenvereinbarung nach zivilrechtlichen Grundsätzen ausnahmsweise als nichtig, kann der Rechtsanwalt ebenfalls nach BGB abrechnen.

2. Vergütung nach bürgerlichem Recht

a) Verweis auf §§ 612, 632 BGB

 

Rz. 88

Im Falle einer unterlassenen oder unwirksamen Gebührenvereinbarung erhält der Rechtsanwalt Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Damit verweist Abs. 1 S. 2 für den Bereich der Beratung und der Mediation auf § 612 Abs. 2 BGB, für die – als Werkvertrag einzuordnende (siehe Rdn 46) – Gutachtenerstellung auf die Parallelvorschrift des § 632 Abs. 2 BGB.[89]

 

Rz. 89

Wird nicht über das Honorar gesprochen, dann wird häufig auch nicht über den Auftrag gesprochen. Es gelten dann die allgemeinen Grundsätze des BGB und die Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast. Der Anwalt muss darlegen und beweisen, dass ihm ein Beratungsauftrag erteilt worden ist. Nicht jedes Gespräch und jedes Telefonat mit dem Anwalt löst bereits einen Beratungsauftrag aus. So kann der Recht suchende Mandant durchaus ein Interesse daran haben, den Anwalt zunächst einmal zu fragen, ob er überhaupt bereit ist, ein entsprechendes Mandat anzunehmen, ob er das entsprechende Rechtsgebiet bearbeitet oder ob er gegebenenfalls aus Gründen der Interessenkollision dieses Mandat gar nicht annehmen kann.

 

Rz. 90

Der Anwalt muss also nachweisen, dass das Gespräch über die bloße Akquisephase hinausgegangen ist.[90]

Die Rechtsprechung gewährt dem Anwalt gewisse Erleichterungen an die Darlegungs- und Beweislast. So geht das AG Brühl[91] davon aus, dass bei einem halbstündigen Gespräch in der Kanzlei des Anwalts eine Beratung beauftragt worden ist. Die Dauer eines Gesprächs von einer halben Stunde übersteige deutlich den Zeitraum einer bloßen Mandatsantragung (Akquise). Auch das AG Bonn[92] geht bei einem unstreitigen 25-minütigen Telefonat zwischen Anwalt und Mandant davon aus, dass ein Beratungsauftrag zustande gekommen ist. Das Gericht hält es nicht für glaubhaft, dass in einem unstreitig 25-minütigen Gespräch zwischen den Parteien nur über Allgemeines ohne rechtliche Relevanz gesprochen worden ist, da Rechtsanwälte unter einigem wirtschaftlichen Druck stehen und so frei über ihre Arbeitszeit regelmäßig nicht verfügen können, dass sie einen allgemeinen Plausch mit ihnen Unbekannten über einen derart beachtlichen Zeitraum halten.

 

Rz. 91

Der Anwalt ist nicht verpflichtet, auf die Entgeltlichkeit seiner Beratungstätigkeit hinzuweisen. Es ist Sache des Mandanten, nachzuweisen bzw. zu beweisen, dass eine unentgeltliche Beratung vereinbart worden ist. Allerdings ist es Sache des Anwalts, den Beratungsauftrag als solchen nachzuweisen.[93]

 

Rz. 92

Zum Zustandekommen eines Anwaltsdienstvertrags ist eine ausdrückliche Entgeltabrede nicht erforderlich.[94] Bei einem Vertrag über eine anwaltliche Erstberatung gilt nach § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütung im Regelfall vielmehr als stillschweigend vereinbart. Auf die Entgeltlichkeit der Erstberatung muss der Anwalt nur bei erkennbarer Fehlvorstellung oder wirtschaftlichem Problem des Mandanten hinweisen.[95] Gleiches soll gelten, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts von vornherein wirtschaftlich sinnlos wäre.[96]

[89] Hirtz, ZAP 18/2005, S. 929; Henssler, NJW 2005, 1537; Krämer/Mauer/Kilian, Rn 440a; Hartung/Römermann/Schons, § 34 Rn 71 f.; Enders, Rn 485.
[90] AG Detmold AGS 2009, 530.
[91] AGS 2008, 589 = RVGreport 2009, 460 = NJW-RR 2009, 851.
[92] AGS 2011, 476.
[94] OLG Düsseldorf OLGR 2009, 710; AG Steinfurt AGS 2014, 379 = RVGreport 2014, 307 = AnwBl 2014, 364.
[95] AG Wiesbaden AGS 2012, 453 = RVGreport 2012, 378.
[96] AG Steinfurt AGS 2014, 379 = RVGreport 2014, 307 = AnwBl 2014, 364.

b) Bestimmung der Vergütung

 

Rz. 93

§§ 612, 632 BGB sehen in ihrem Absatz 2 vorrangig die taxmäßige Vergütung vor. Zwar ist das RVG eine Taxe im Sinne dieser Vorschriften;[97] die zum 1.7.2006 erfolgte Deregulierung des Vergütungsrechts für die in Abs. 1 S. 1 genannten Tätigkeitsbereiche hat jedoch gerade eine ersatzlose Streichung der einschlägigen Gebührentatbestände des RVG bewirkt (siehe Rdn 2 ff.). In Ermangelung einer staatlichen Taxe für die beratende, gutachtliche oder mediierende Tätigkeit des Rechtsanwalts ist daher die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Sie richtet sich nicht mehr nach Tarifsätzen, sondern vielmehr nach Marktkriterien. Daher verbietet sich auch ein Rückgriff auf die vom Reformgesetzgeber zum 1.7.2006 bewusst außer Kraft gesetzten Taxen der VV 2100 ff. a.F.[98]

 

Rz. 94

Üblich ist eine Vergütung, die am gleichen Ort in gleichen oder ähnlichen Berufen für entsprechende Dienstleistungen bezahlt zu werden pflegt, wobei es auf die Umstände d...

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