Rz. 8

Zum "Verfahren" i.S.d. Abs. 1 gehören nicht nur die kontradiktorischen Erkenntnisverfahren, sondern alle in einer Prozessordnung geregelten Abläufe zur Herbeiführung einer Entscheidung. Erfasst werden grundsätzlich auch die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.[7]

 

Beispiele: Der Anwalt wird beauftragt mit der Erteilung eines Erbscheins[8] oder einer Eintragung im Handelsregister oder im Grundbuch. Der Verteidiger wird im Strafverfahren auch mit der Abwehr der nach §§ 403 ff. StPO erhobenen Ansprüche beauftragt (VV 4143 ff.). Der Anwalt wird in einem Betreuungsverfahren als Verfahrenspfleger damit beauftragt, einen vom Betreuer zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrag zu überprüfen.[9]

 

Rz. 9

Gerichtliche Verfahren sind nicht nur diejenigen vor einem Richter i.S.d. Art. 92 GG, sondern auch solche vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder dem Rechtspfleger, wenn diese zum Rechtszug gehören (§§ 16, 19).

 

Rz. 10

Hierher gehört auch die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher. Das ergibt sich schon daraus, dass richterliche Kompetenzen von Reform zu Reform nach und nach auf Gerichtsvollzieher verlagert worden sind, zuletzt beispielsweise die Abnahme der Vermögensauskunft vom Rechtspfleger auf den Gerichtsvollzieher (§ 802e ZPO). Es muss jedoch ein Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren bestehen wie z.B. bei der Zwangsvollstreckung. Zudem ergibt sich in Bezug auf das Entstehen einer Einigungsgebühr aus VV 1000 Abs. 1 S. 3, dass das Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher einem gerichtlichen Verfahren gleichsteht.

 

Rz. 11

Verwaltungsbehörden sind keine Gerichte, so dass für sie ebenso wenig wie für nichtrichterliche Spruchkörper oder Gutachterausschüsse und dergleichen die für Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften anwendbar sind. Ihre Tätigkeit ist kein "gerichtliches Verfahren".

 

Rz. 12

Anders verhält es sich, wenn das RVG für solche Sachverhalte selbst den Bezug zu gerichtlichen Wertvorschriften herstellt, wie etwa in § 36 für das schiedsrichterliche Verfahren.

 

Rz. 13

Kraft Gesetzes kann ein Verwaltungsverfahren allerdings notwendige Vorstufe eines gerichtlichen Verfahrens sein (siehe vor allem die §§ 68 ff. VwGO und §§ 78 ff. SGG). Dann wird der Anwalt "in" einem gerichtlichen Verfahren tätig.

[8] BGH 30.9.1968 – III ZB 11/67, NJW 1968, 2334.

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