Rz. 26

Die "Deckelung" des Gegenstandswerts nach Abs. 2 S. 1 gilt nicht, sofern durch Gesetz ein niedriger Höchstwert bestimmt ist.

 

Rz. 27

Abs. 2 S. 1 ist durch das Zweite Justizmodernisierungsgesetz (in Kraft getreten am 31.12.2006) geändert worden. Hintergrund dieser Änderung ist die Verweisung des § 23 Abs. 1, Abs. 3 auf das GNotKG. Dort ist zum Teil ein Höchstwert von 60 Mio. vorgesehen (§ 35 Abs. 2 GNotKG). Klargestellt werden sollte mit der Ergänzung, dass für den Anwalt nicht der höhere Wert des GNotKG maßgebend ist, sondern der geringe Wert des Abs. 2 S. 1.

 

Rz. 28

Vermutlich ohne es zu wollen, hat der Gesetzgeber damit aber auch eine weitere Streitfrage geklärt, nämlich, ob die Begrenzung nach Abs. 2 auch in den Fällen des § 35 gilt. Die StBVV sieht nämlich keine Begrenzung vor. Bislang war anzunehmen, dass die Begrenzung des Abs. 2 S. 1 für den Anwalt im Rahmen des § 35 nicht galt.[9] Jetzt würde die Begrenzung greifen. Das erscheint insoweit bedenklich, als der Steuerberater dieselbe Tätigkeit ohne Wertbegrenzung abrechnen kann, nicht aber der Anwalt.

 

Beispiel: Der Mandant muss eine Erbschaftssteuererklärung abgeben. Der Wert des Nachlasses beträgt 60 Mio. EUR. Er beauftragt mit der Abgabe der Steuererklärung

a) einen Steuerberater

b) einen Anwalt.

Der Steuerberater rechnet die Abgabe der Steuererklärung nach § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV ab (eine Gebühr von 2/10 bis 10/10 – Mittelgebühr 0,6 nach Tabelle A). Gegenstandswert ist der Wert des Erwerbs von Todes wegen vor Abzug der Schulden und Lasten, jedoch mindestens 12.500,00 EUR (§ 24 Abs. 1 Nr. 12, 2. Hs. StBVV). Der Steuerberater rechnet also nach einem Gegenstandswert von 60 Mio. EUR ab.

 
1. 0,6-Gebühr, § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV (Wert: 60 Mio. EUR)   62.253,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, § 16 StBVV   20,00 EUR
  Zwischensumme 62.273,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, § 15 Abs. 1 StBVV   11.831,87 EUR
Gesamt   74.104,87 EUR

Für den Anwalt richten sich die Gebühren ebenfalls nach § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV; diese Vorschrift ist auch für den Anwalt anzuwenden (§ 35). Die VV 2300 ff. sind unanwendbar (VV Vorb. 2 Abs. 1). Hinsichtlich des Gegenstandswertes gilt jetzt jedoch § 22 Abs. 2 S. 1: Der Anwalt darf seiner Berechnung höchstens einen Wert von 30 Mio. EUR zugrunde legen.

 
1. 0,6-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV    
  (Wert: 30 Mio. EUR)   35.613,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 35.633,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   6.770,27 EUR
Gesamt   42.403,27 EUR

Es ließe sich also hier durchaus an einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG denken, weil dieselbe Tätigkeit ungleich vergütet wird. Abgesehen davon spricht die jetzige Änderung auch gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers, der mit dem § 35 gerade die Gleichstellung von Anwalt und Steuerberater erreichen wollte,[10] diese jetzt aber wieder teilweise aufgibt.

[9] Ausführlich N. Schneider, AGS 2005, 322.
[10] BT-Drucks 15/1971 S. 243.

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