Rz. 90

Die Anrechnung einer Gebühr ist nach Abs. 3, 1. Var. entgegen dem Grundsatz dann im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die erstattungspflichtige Partei die anzurechnende Gebühr bereits gezahlt oder anderweitig erfüllt hat.

 

Rz. 91

Hauptanwendungsfall ist hier die Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr, die als Schadensersatz mit eingeklagt wird.

 

Beispiel: Im Rechtsstreit klagt der Kläger die Hauptforderung in Höhe von 8.000 EUR sowie eine vorgerichtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr ein. Der Gegner zahlt während des Rechtsstreits sowohl die Hauptforderung als auch die Kosten. Daraufhin wird der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Kosten wurden dem Beklagten auferlegt (§ 91a ZPO).

Da der Beklagte die Geschäftsgebühr bereits gezahlt hat, kann er sich jetzt im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Anrechnung berufen. Es dürfen lediglich noch 1,3 – 0,65 = 0,65 gegen ihn festgesetzt werden.

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 8.000 EUR)   652,60 EUR
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65 aus 8.000 EUR   – 326,30 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3100 (Wert: 8.000 EUR)   602,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 948,70 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   180,25 EUR
Gesamt   1.128,95 EUR
 

Rz. 92

Bei der Erfüllung muss es sich nicht um eine Zahlung handeln. Jede andere Erfüllung reicht auch aus, etwa eine Aufrechnung.[37]

 

Beispiel: Der Kläger klagt die Hauptforderung in Höhe von 8.000 EUR sowie eine vorgerichtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr ein. Der Beklagte bestreitet die Klageforderung nicht, rechnet gegen die Hauptforderung und den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch jedoch mit einer diese Beträge übersteigenden Gegenforderung auf. Der Rechtsstreit wird daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Kosten werden dem Beklagten auferlegt (§ 91a ZPO).

Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel. Auch jetzt dürfen lediglich noch 1,3 – 0,65 = 0,65 festgesetzt werden, da die Geschäftsgebühr des Klägers durch Aufrechnung erfüllt worden ist.

 

Rz. 93

Der Erfüllungseinwand kann aber auch andere anzurechnende Gebühren betreffen, etwa die Verfahrensgebühr eines Mahnverfahrens.

 

Beispiel: Der Kläger hatte zunächst ein Mahnverfahren wegen einer Forderung i.H.v. 8.000 EUR eingeleitet. Dagegen hatte der Beklagte Widerspruch erhoben, sodass die Sache an das Streitgericht abgegeben wurde. Zwischenzeitlich hatte der Beklagte die Forderung einschließlich der Kosten des Mahnverfahrens ausgeglichen. Daraufhin wird der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens nach § 91a ZPO auferlegt.

Der Kläger muss sich jetzt die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens anrechnen lassen, da diese bereits vom Beklagten bezahlt worden ist. Festzusetzen sind daher noch:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 8.000 EUR)   652,60 EUR
2. gem. Anm. zu VV 3305 anzurechnen, 1,0 aus 8.000 EUR   – 502,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 170,60 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   32,41 EUR
Gesamt   203,01 EUR
[37] OLG Köln AGS 2011, 619 = RVGreport 2012, 33 = JurBüro 2012, 22.

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