Rz. 28

Probleme können sich bei der Anrechnung der Mindestgebühr ergeben.

 

Beispiel: Nachdem der Gläubiger den Schuldner selbst mehrfach zur Zahlung aufgefordert hat, beauftragt er einen Anwalt, in einem einfachen Schreiben den Schuldner letztmalig zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 250 EUR aufzufordern und für den Fall, dass keine Zahlung erfolge, Klage zu erheben.

Für die außergerichtliche Vertretung erhält der Anwalt die Geschäftsgebühr VV 2300 lediglich i.H.v. 0,3, da er nur den Auftrag zu einem einfachen Schreiben hatte (VV 2301).

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die 0,3-Gebühr auf lediglich 14,70 EUR belaufen würde; die Mindestgebühr nach Abs. 2 beträgt dagegen 15 EUR. Folglich ist die Gebühr auf 15 EUR heraufzusetzen. Abzurechnen ist also wie folgt:

 
1. 0,3-Geschäftsgebühr, VV 2300, 2301 (Wert: 250 EUR) 15,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   3,00 EUR
  Zwischensumme 18,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   3,42 EUR
Gesamt   21,42 EUR

Im nachfolgenden Mahnverfahren erhält der Anwalt eine 1,0-Verfahrensgebühr (VV 3305), also 49 EUR zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer. Die zuvor verdiente Geschäftsgebühr ist nach VV Vorb. 3 Abs. 4 zur Hälfte anzurechnen. Die Anrechnungsbestimmung gilt auch dann, wenn VV 2301 greift. Der Anwalt erhält keine gesonderte Gebühr nach VV 2301; es handelt sich vielmehr um die Geschäftsgebühr der VV 2300, die lediglich zu einem geringeren Gebührensatz entsteht. Folglich erstreckt sich die Anrechnungsbestimmung der VV Vorb. 3 Abs. 4 auch auf diese Gebühr.

Ausgehend von der herkömmlichen Formel und den von den meisten Berechnungsprogrammen verwandten Formeln würde die Geschäftsgebühr mit dem halben Gebührensatz, also hier mit 0,15 angerechnet. Danach ergäbe sich aber nur eine Anrechnung von 7,35 EUR. Rechnet man dagegen die Mindestgebühr zur Hälfte an, so würden 7,50 EUR angerechnet.

 

Rz. 29

Nach VV Vorb. 3 Abs. 4 wird die Geschäftsgebühr zur Hälfte angerechnet. Dies spricht für eine betragsmäßige Anrechnung. Andererseits ordnet diese Vorschrift gleichzeitig an, dass maximal nach einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet wird. Dies wiederum spricht dafür, dass nach dem halben Gebührensatz anzurechnen ist. So wird in der Praxis – schon aus Praktikabilitätsgründen – auch verfahren.

Letztlich kann m.E. offenbleiben, ob eine Anrechnung auf der Betragsebene oder auf der Gebührensatzebene erfolgt. Soweit man auf der Gebührensatzebene anrechnet, muss man m.E. die Vorschrift des Abs. 2 analog anwenden, also nach dem halben Gebührensatz anrechnen, wenigstens aber die halbe Mindestgebühr, also 7,50 EUR.[14]

Zu rechnen ist also wie folgt:

 

Beispiel:

 
1. 1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305 (Wert: 250 EUR) 49,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   9,80 EUR
3. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,15 aus 250,00 EUR, § 13 Abs. 2   – 7,50 EUR
  Zwischensumme 51,30 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   9,75 EUR
Gesamt   761,05 EUR
[14] N. Schneider, AGS 2005, 325; ebenso Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 13 Rn 13; VG Minden 3.4.2007 – 9 L 328/06 (allerdings ohne Begründung).

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