Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedingte Rücknahme einer Prozessaufrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die für den Fall des Vergleichswiderrufs erklärte Rücknahme einer Prozessaufrechnung ist wirksam.

 

Normenkette

BGB § 389

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Urteil vom 10.06.2008; Aktenzeichen 5 O 129/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.6.2008 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des LG Itzehoe mit der Einschränkung aufrecht erhalten, dass eine Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen der Beklagten nicht ergeht.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

(abgekürzt gem. § 540 ZPO)

I. Die Klägerin produziert und vertreibt Straßenmarkierungsmaterialien. Die Beklagte führt Straßenmarkierungsarbeiten aus und bezog von dieser in den Jahren 2005 und 2006 die entsprechenden Waren.

Die Klägerin begehrt für Lieferungen an die Beklagte in der Zeit vom 1.6.2005 bis 18.8.2006 einen Betrag von insgesamt 49.826,47 EUR zzgl. aufgelaufener Zinsen abzgl. einer Zahlungsgutschrift von insgesamt 15.000 EUR (s. Forderungskonto Bl. 7/8 d.A.).

Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie

a) 37.429,09 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 1.11.2007,

b) bis zum 31.10.2007 rückständige Zinsen i.H.v. 654,08 EUR,

c) vorgerichtliche anwaltliche Mahnkosten i.H.v. 1.192,60 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat ggü. der - unstreitigen - Forderung der Klägerin in 1. Instanz aufgerechnet mit Gegenforderungen i.H.v. 31.666,48 EUR sowie von 7.369,63 EUR. Diese Forderungen hat die Klägerin dem Grunde und der Höhe nach bestritten.

Der Forderung über 31.666,48 EUR liegt zugrunde, dass es wegen im Jahre 2005 von der Klägerin gelieferten Materialien zu Qualitätsbeanstandungen kam, der Auftraggeber der Beklagten, der L. hatte die entsprechenden Arbeiten der Beklagten gerügt. Nach Verhandlungen zwischen den Parteien, dem L. sowie der Lieferantin der Klägerin hatte sich die Klägerin verpflichtet, der Beklagten unentgeltlich Material nachzuliefern. Die Kosten für die Neuverlegung wollten sich die Klägerin und ihre Lieferantin teilen.

Der Forderung über 7.369,63 EUR liegt zugrunde, dass nach Angaben der Beklagten die Klägerin auch für Vorhaben in den Städten M., N. und I. mangelhaftes Material geliefert habe, so dass die Beklagte die Arbeiten habe neu ausführen müssen.

Das LG hat der Klage stattgegeben und die von der Beklagten erklärte Aufrechnung als unwirksam angesehen, da diese die Gegenforderungen weder in einer hinreichend spezifizierten und damit einen einlassungsfähigen Weise dargetan noch bewiesen habe.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgemäß eingelegten und begründeten Berufung.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Itzehoe vom 10.6.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 14.1.2009 haben die Parteien nach Stellung der Anträge einen Widerrufsvergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtete, an die Klägerin einen Betrag von 31.000 EUR zzgl. Zinsen zu zahlen. Damit sollten Klagforderung und die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen erledigt sein. Zuvor hatte die Beklagte zu Protokoll erklärt, dass sie die von ihr erklärte Aufrechnung für den Fall fallen lasse, dass der abzuschließende Vergleich von der Klägerin widerrufen werde. Die Klägerin hat der Rücknahme der Aufrechnung widersprochen. Sie hat den Vergleich fristgemäß widerrufen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die von der Beklagten im Termin erklärte Rücknahme der Aufrechnung sei unzulässig, da es sich bei einer Aufrechnung um eine sowohl materiell-rechtlich als auch rechtsgestaltende Willenserklärung handele, die als solche sowie als Prozesshandlung bedingungsfeindlich sei.

Im Übrigen wird vollinhaltlich auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II. Die Berufung der Beklagten hat insoweit keinen Erfolg, als die geltend gemachte Forderung aus den Warenlieferungen zwischen den Parteien unstreitig ist und der Klage deshalb stattzugeben ist.

Die Forderung ist auch nicht durch Aufrechnung erloschen, da die Beklagte die von ihr in I. Instanz erklärte Aufrechnung ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vom 14.1.2009 fallen gelassen hat. Eine Prozessaufrechnung kann als Prozesshandlung nach überwiegender Meinung, der der Senat sich anschließt, wieder zurückgenommen werden und hat zur Folge, dass die Aufrechnung auch materiell-rechtlich unwirksam wird (BGH NJW-RR 1991, 156; OLG Hamburg MDR 1973, 57; OLG Zweibrücken NJW-RR 2004, 651; MünchKomm/Schlüter...

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