Verfahrensgang

LG Flensburg (Entscheidung vom 10.03.2010; Aktenzeichen 4 O 134/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. März 2010 verkündete Grundurteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für die Reparatur eines nach einer Blockadeaktion beschädigten Gleises.

Die Klägerin betreibt als Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG u.a. die eingleisige Bahnverbindung zwischen Husum und Jübek, von der unmittelbar hinter einem Bahnübergang in Ohrstedt eine Bahntrasse zu einem dortigen Bundeswehrdepot abzweigt. Die Beklagte ist eine langjährig aktive Antimilitaristin und begab sich gemeinsam mit drei weiteren Personen in der Nacht vom 9. auf den 10. Februar 2008 zu dieser Bahnstrecke, wo sie sich auf das Gleis legte, ihre Unterarme, an denen jeweils Stahlseile befestigt waren, in ein von ihr oder ihrem Umfeld unter den Schienenstrang eingebrachtes Stahlrohr steckte und die beiden Seile dann mit einem arretierten Schloss verband. Mit dieser Aktion wollte sie einen Zug mit Bundeswehrausrüstungsteilen an der Weiterfahrt in Richtung Polen hindern. Der Zug musste anhalten. Die Beklagte verließ das Gleis trotz entsprechender Aufforderung durch sowohl Sicherheitskräfte der Landes- als auch der Bundespolizei unter Hinweis darauf nicht, sie selbst könne die Fixierung nicht lösen. Schließlich wurde das Gleis auf Anweisung der Bundespolizei auf einer Länge von mehreren Metern teilweise herausgetrennt und die Beklagte sodann samt Rohr aus dem Gleisbereich entfernt, sodass der Zug nach der Reparatur des Gleises seine Fahrt morgens fortsetzen konnte.

Das Landgericht hat die Beklagte zunächst im schriftlichen Verfahren durch Versäumnisurteil zur Zahlung der geltend gemachten Reparaturkosten verurteilt und auf ihren Einspruch mit dem angefochtenen Grundurteil, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen wird, den Klageanspruch mit der Begründung für gerechtfertigt erklärt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung zu. Der Anspruch setze keine Substanzbeeinträchtigung voraus, sondern es sei vielmehr ausreichend, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch einer Sache nicht nur kurzfristig beeinträchtigt werde. Dadurch, dass sich die Beklagte auf das Gleis gelegt und sich auch trotz entsprechender Aufforderung nicht von diesem entfernt habe, habe dieses nicht funktionsgerecht genutzt werden können. Ihr Tun sei nicht durch das Recht auf Versammlungsfreiheit gedeckt. Das Grundrecht sei angesichts der generellen Gefahr eines Aufenthalts auf Schienen durch die Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung (EBO) in verfassungsgemäßer Weise eingeschränkt. Der Klägerin als juristischer Person des Privatrechts gegenüber wirkten die Grundrechte nur mittelbar. Die Klägerin habe eine Rechtsbeeinträchtigung nur hinzunehmen, wenn diese entweder eine unbeabsichtigte, aber zwangsläufige Nebenfolge der Grundrechtsausübung sei oder wenn zwar gezielt, aber nur kurzfristig und ohne relevante Behinderungen Rechtsgüter Dritter mit einbezogen würden. Die Beklagte habe zielgerichtet und nicht nur als Nebenfolge die Nutzbarkeit der Schienen über mehrere Stunden beseitigt. Mangels Rechtes der Beklagten zum Betreten der Schienen habe die Klägerin mithin auch keiner Grundrechtsbindung wegen der Versammlungsfreiheit unterlegen. Die Beklagte habe auch schuldhaft und haftungsausfüllend gehandelt. Die Beschädigung der Gleise sei darauf zurückzuführen, dass sich die Beklagte an das Gleis gekettet und sich auch trotz entsprechender Aufforderung durch die Sicherheitskräfte nicht von diesem entfernt gehabt habe. Hätte die Beklagte dies nicht getan, wäre es nicht zum Einsatz der Sicherheitskräfte gekommen. Der Haftung der Beklagten stehe nicht entgegen, dass nicht sie selbst, sondern die Mitarbeiter der Feuerwehr auf Veranlassung von Bundespolizisten die Gleise durchtrennt und herausgelöst hätten. Die Beklagte habe die Schadensfolgen durch ihr Fehlverhalten herausgefordert und mithin für das Handeln der Bundespolizei und der Feuerwehr einzustehen. Zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhanges führe es nicht, dass die Versammlung nicht aufgelöst worden sei. Zwar wäre dies erforderlich gewesen, beträfe jedoch allein das Verhältnis zwischen den Sicherheitskräften und der Beklagten, nicht das zwischen dieser und der Klägerin. Die Beklagte habe auch durch ihr Handeln rechtswidrig eine Gefahrenquelle eröffnet. Ein etwaiger Mitverursachungs- und Mitverschuldensbeitrag der Sicherheitskräfte werde durch den Beitrag der Beklagten zurückgedrängt. Diese habe die Arbeiten herausgefordert und hätte sie jederzeit dadurch beenden lassen können, dass sie ihre Blockade aufgegeben oder zumindest die Sicherheitskräfte darauf aufmerksam gemacht hätte, wie sich die Blockade einfacher hätte auflösen las...

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