Leitsatz (amtlich)

1. Ein „Karrieresprung”, dessen Grundlagen erst nach der Trennung der Eheleute gelegt werden, ist nicht eheangelegt. Veränderungen nach der Trennung, die auf einer unerwarteten Entwicklung beruhen, sind unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen.

2. Zur Frage, wann eine Erwerbstätigkeit als überobligationsmäßig zu qualifizieren ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1570, 1573 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Lübeck (Aktenzeichen 123 F 191/00)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten hatte zum Teil Erfolg.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten nachehelichen Unterhalt, und zwar Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt. Die Ehe der Parteien wurde im November 1998 rechtskräftig geschieden.

Im Februar 1996 trennten sich die Parteien. Zu Beginn des Jahres 1998 wurde bei der D. Bank AG eine Arbeitsstelle „Fachkraft Problemkredite” im Bereich Kreditmanagement und Kreditsekretariat in F. ausgeschrieben, worauf sich der Beklagte erfolgreich zum 1.5.1998 bewarb. Aus diesem Grunde stieg sein Bruttoeinkommen um mehr als ein Drittel. 1999 kehrte er nach erfolgreicher Bewerbung als Abteilungsleiter bei seinem früheren Arbeitgeber zurück.

Die Parteien stritten im Wesentlichen darum, ob bei dem Beklagten eine unerwartete Einkommenssteigerung nach einem „Karrieresprung” eingetreten ist.

Dies hat das AG bei seiner angefochtenen Entscheidung verneint. Ferner hat es die Auffassung vertreten, dass das Einkommen der Klägerin als überobligatorisch zu bewerten sei und hat es deshalb bei der Unterhaltsberechnung um 20 % ermäßigt.

Gegen die Verurteilung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und meint, bei ihm liege unerwartet ein „Karrieresprung” vor, sodass lediglich fiktiv seine Einkünfte als Gruppenleiter der D. Bank ab Dezember 1999 fortzuschreiben seien. Darüber hinaus arbeite die Klägerin auch nicht überobligationsmäßig, da sie – unstreitig – schon während der Ehe der Parteien im bisherigen Umfang berufstätig war.

 

Entscheidungsgründe

Der Beklagte schuldet der Klägerin dem Grunde nach gem. den §§ 1570 und 1573 Abs. 2 BGB nachehelichen Ehegattenunterhalt als Betreuungs- bzw. Aufstockungsunterhalt.

1. Bei der Unterhaltsberechnung ist von den Einkünften des Beklagten nach seiner bisherigen Tätigkeit als Gruppenleiter bei der D. Bank (vormals Handelsbank) auszugehen. Zwar erhielt der Beklagte in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 1999 bis heute wesentlich höhere Einkünfte, zuletzt als Abteilungsleiter der vorgenannten Bank. Diese Einkünfte sind jedoch bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin gem. § 1578 BGB nicht zugrunde zu legen. Nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen, und zwar den Verhältnissen im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung (BGH v. 24.9.1993 – XII ZR 136/92, MDR 1994, 804 = NJW 1994, 935, v. 25.2.1987 – IVb ZR 36/86, MDR 1987, 653 = NJW 1987, 1551). Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers soll der berechtigte Ehegatte an dem Lebenszuschnitt beteiligt werden, wie er sich bis zu diesem Zeitpunkt der Ehe entwickelt hat (BT-Drucks. 7/650, 136), da die Ehe auch während der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung fortbesteht und die eheliche Lebensgemeinschaft grundsätzlich jederzeit wieder aufgenommen werden könnte, sodass die Ehegatten bis dahin auf der Grundlage ihrer Lebensverhältnisse miteinander verbunden sind. Daher prägen auch auf Dauer angelegte Einkommensveränderungen zwischen Trennung und Scheidung in der Regel die ehelichen Lebensverhältnisse, da die Ehegatten auch während der Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung an der Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich teilnehmen (BGH NJW 1999, 717). Dieser Grundsatz gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH bei beruflichen Entwicklungen, insb. bei Veränderungen der Einkommensverhältnisse, nur in soweit, als die Veränderungen nicht auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblichen abweichenden Entwicklung der Einkommensverhältnisse seit der Trennung beruhen (BGH v. 31.3.1982 – IVb ZR 652/80, MDR 1982, 831 = NJW 1982, 2063; v. 8.2.1984 – IVb ZR 54/82, MDR 1984, 921 = NJW 1984, 1685). Als Zeitpunkt für die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse ist beim nachehelichen Unterhalt zwar die Rechtskraft der Scheidung maßgebend, die Frage, ob bei einer Einkommenssteigerung eine „normale” Entwicklung und damit ein prägendes Einkommen vorliegt, richtet sich aber bereits nach den Verhältnissen bei der Trennung. Denn prägend können nur Einkünfte sein, deren Wurzel im gemeinsamen Zusammenleben liegen (BGH v. 23.11.1983 – IVb ZR 21/82, MDR 1984, 298 = NJW 1984, 292). Daher sind Veränderungen nach der Trennung dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie auf einer unerwarteten Entwicklung beruhen. Unerwartet sind z.B. Einkommenssteigerungen nach einem „Karrieresprung” (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rz. 64 m.w.N.).

Ein entsprechender „Karrieresprung” ist bei dem Beklagten eingetr...

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