Leitsatz (amtlich)

›a) Arbeitslosenhilfe, die einem unterhaltsbedürftigen geschiedenen Ehegatten gewährt wird, gehört grundsätzlich nicht zu den Einkünften i.S. von § 1577 Abs. 1 BGB.

b) Bei der Bemessung des Unterhalts eines geschiedenen Ehegatten nach einer Quote vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts nur dann rechtlich bedenkenfrei, wenn es um den Unterhalt für ein gemeinschaftliches Kind der Ehegatten oder für ein Kind des Unterhalts pflichtigen geht, für das er bereits während der Ehe aufzukommen hatte, so daß bereits die ehelichen Lebensverhältnisse durch diese Unterhaltsverpflichtung mit geprägt wurden.

Zur Möglichkeit eines Unterhaltsgläubigers, der in einem Vorprozeß einen hinter seinem vollen Unterhalt zurückbleibenden Rentenbetrag geltend gemacht und zugesprochen erhalten hat, in einem weiteren Rechtsstreit seinen vollen Unterhaltsanspruch durchzusetzen (im Anschluß an BGH FamRZ 1984, 374).

 

Tatbestand

Die Parteien, deren Ehe nach mehr als 20-jähriger Dauer seit 6. Januar 1983 geschieden ist, streiten um nachehelichen Unterhalt.

In einem vorausgegangenen Rechtsstreit ist der Kläger durch Urteil des Oberlandesgerichts vom 27. Dezember 1983 zur Zahlung einer nachehelichen Unterhaltsrente in wechselnder Höhe verurteilt worden, die sich für die Zeit ab 1. November 1983 auf monatlich 513,60 DM beläuft. Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, daß zuletzt der Kläger monatlich 2.366 DM netto verdiente und die - arbeitslose - Beklagte ohne Einkommen war. Es hat ausgeführt, daß der Beklagten für diese Zeit an sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 2/5 der Einkommensdifferenz, mithin von 946,40 DM monatlich, zustehe, daß ihr aber wegen der Bindung an ihren Klageantrag nur 513,60 DM monatlich zuerkannt werden könnten.

Im Sommer 1984 hat die im Jahre 1937 geborene Beklagte ein bis Ende Januar 1985 befristetes Beschäftigungsverhältnis als Küchenhilfe angetreten. Vom 1. Februar bis 30. September 1985 ist sie erneut arbeitslos gewesen. Seit 1. Oktober 1985 leistet sie Teilzeitarbeit in einem Kindergarten. Der Kläger, der seit März 1983 wieder verheiratet ist, hat aus dieser Ehe ein Kind, das am 27. Dezember 1984 geboren worden ist.

Gestützt auf das seit Sommer 1984 erzielte Erwerbseinkommen der Beklagten und die hinzugetretene Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kinde und seiner zweiten Ehefrau, die seit Anfang 1985 kein Einkommen mehr habe, hat der Kläger im Wege der Abänderungsklage den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten erstrebt. Diese hat ihrerseits am 5. März 1985 Widerklage auf Abänderung des vorausgegangenen Urteils erhoben und die Erhöhung der ihr zuerkannten Unterhaltsrente von 513,60 DM auf 972 DM monatlich begehrt, weil sie seit 1. Februar 1985 wieder ohne Arbeit sei und nur Arbeitslosenhilfe von 273,18 DM und Wohngeld von 106 DM im Monat beziehe.

Das Amtsgericht hat der Klage und der Widerklage teilweise entsprochen. Auf die Widerklage hat es das frühere Urteil dahin abgeändert, daß der Kläger ab 1. April 1985 statt 513,60 DM einen monatlichen Betrag von 569,36 DM zu zahlen habe. Gegen die Abweisung der weitergehenden Widerklage hat die Beklagte Berufung eingelegt und zuletzt beantragt, den Beklagten unter Abänderung des früheren Urteils zu einer monatlichen Unterhaltsrente von 972 DM ab 5. März 1985 und von 874 DM ab 1. Oktober 1985 zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf eine vom Kläger erhobene Anschlußberufung das amtsgerichtliche Urteil dahin geändert, daß es die Widerklage in vollem Umfang abgewiesen hat. Hiergegen hat die Beklagte - zugelassene - Revision eingelegt, mit der sie ihr zweitinstanzliches Begehren zur Abänderungswiderklage weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Unter Berufung auf das Urteil des Senats vom 11. Januar 1984 (IVb ZR 10/82 - FamRZ 1984, 374) ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, daß entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die Beklagte durch die Bindungswirkung des früheren Urteils nicht darauf beschränkt ist, im Abänderungsverfahren statt des vollen Unterhalts weiterhin nur den im Vorprozeß zugesprochenen Anteil geltend zu machen und dessen Anpassung zu verlangen; vielmehr kann sie nach Eintritt der Voraussetzungen des § 323 ZPO verlangen, daß bei der Abänderungsentscheidung der volle Unterhaltsanspruch zugrunde gelegt wird (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 78/85 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Das Berufungsgericht hat es jedoch abgelehnt, das vorausgegangene Urteil auf die Widerklage hin abzuändern und dabei die Vorentscheidung zu korrigieren, weil es an der nach § 323 ZPO notwendigen, zugunsten der Beklagten ausschlagenden wesentlichen Änderung der für die Höhe der Unterhaltsrente maßgebenden Verhältnisse fehle. Ob diese Voraussetzung des § 323 ZPO erfüllt sei, sei an dem Unterhaltsbetrag von 946,40 DM zu messen, der in der abzuändernden Entscheidung an sich als monatlicher Unterhalt der Beklagten festgestellt worden sei. Im einzelnen hat das Berufungsgericht dazu ausgeführt, das monatliche Nettoeinkommen des Klägers sei gegenüber dem Vorprozeß von 2.366 DM auf 3.050 DM gestiegen. Von diesem Betrag müsse der Unterhalt für das am 27. Dezember 1984 geborene Kind des Klägers abgezogen werden. Dieser Unterhalt sei entsprechend Gruppe 5 Stufe 2 der Düsseldorfer Tabelle auf monatlich 330 DM zu bemessen, so daß ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 2.720 DM bleibe. Demgegenüber habe die Beklagte in der Zeit vom 5. März bis 30. September 1985 monatliche Einkünfte von 379,18 DM, davon 273,18 DM Arbeitslosenhilfe, bezogen. Zwar sei die Arbeitslosenhilfe an sich gegenüber dem Unterhalt der Beklagten subsidiär. Weil aber davon auszugehen sei, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht auf den Bund übergeleitet worden sei und der Kläger die Aufwendungen nicht erstatten müsse, stelle die Arbeitslosenhilfe anzurechnendes Einkommen der Beklagten dar. Seit 1. Oktober 1985 erziele diese wieder Erwerbseinkommen, das sich auf monatlich 558,92 DM, seit 1. Januar 1986 auf 561,44 DM, netto belaufe. Demgemäß hat das Oberlandesgericht den Unterhaltsanspruch der Beklagten nach § 1573 Abs. 1 und 2 BGB für die Zeit bis 30. September 1985 auf (2/5 der Einkommensdifferenz von 2.340,82 =) 936,33 DM und für die folgende Zeit auf (2/5 der Einkommensdifferenz von 2.161,08 =) 864,43 DM monatlich bemessen. Da das weniger sei als der Betrag, auf den die monatliche Unterhaltsrente der Beklagten im abzuändernden Urteil an sich bemessen worden sei, scheide eine Abänderung des früheren Urteils aus.

2. Hiergegen wendet sich die Revision mit materiell-rechtlichen Angriffen und Verfahrensrügen.

Sie macht geltend, daß die Arbeitslosenhilfe, bei der es sich um eine subsidiäre staatliche Zuwendung handle, nicht als Eigeneinkommen der Beklagten behandelt werden dürfe. Soweit das Berufungsgericht ausführe, es sei davon auszugehen, daß die Unterhaltsansprüche der Beklagten nicht auf den Bund übergeleitet worden seien, fehle es für die Annahme an einer Grundlage im Sachvortrag der Parteien (§ 286 ZPO). Diese hätten zur Frage einer möglichen Überleitung der Ansprüche nichts vorgetragen. Das Berufungsgericht habe nicht von einem Unterbleiben der Überleitung ausgehen dürfen, sondern im Gegenteil annehmen müssen, daß sie erfolgt sei, weil das Arbeitsamt zur Überleitung rechtlich verpflichtet gewesen sei. Jedenfalls habe die Beklagte im Hinblick hierauf sowie auf die in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien übliche Einordnung der Arbeitslosenhilfe ohne einen gegenteiligen gerichtlichen Hinweis davon ausgehen können, daß diese Bezüge außer Anrechnung blieben. Auf einen gegenteiligen Hinweis hätte die Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß ihr die im Jahre 1985 bezogene Arbeitslosenhilfe nur nachrangig gewährt und ihre Unterhaltsansprüche gegen den Kläger auf den Bund übergeleitet worden seien (§ 139 ZPO). Ferner rügt die Revision einen Verstoß gegen § 1609 Abs. 2 BGB, weil das Berufungsgericht den Unterhalt für das Kind des Klägers nach der Gruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle bemessen habe, während der Unterhalt der Beklagten sowohl in der ihr tatsächlich ausgezahlten, aber auch in der ihr nach den Berechnungen des Urteils zustehenden Höhe allenfalls ihren Mindestbedarf decken könne. Solange der Kläger der Beklagten nur einen derart niedrigen Unterhalt zu zahlen habe, dürfe der Kindesunterhalt nicht mit mehr als dem Mindestsatz von 228 DM monatlich von dem Nettoeinkommen des Klägers abgezogen werden.

3. Die Angriffe haben Erfolg.

Die Abänderung einer Verurteilung im Wege der Klage nach § 323 ZPO setzt voraus, daß in den Verhältnissen, die für die Verurteilung zur Entrichtung der Leistung, für die Bestimmung ihrer Höhe oder der Dauer ihrer Entrichtung maßgebend waren, eine wesentliche Veränderung eingetreten ist. Wesentlich ist eine Änderung der Verhältnisse dann, wenn sie nach Maßgabe des materiellen Rechts zu einer anderen Beurteilung des Bestehens, der Höhe oder der Dauer des Anspruchs führt, und zwar in einer nicht unerheblichen Weise (Senatsurteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 347/81 - FamRZ 1984, 353, 355; ebenso Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 45. Aufl. § 323 Anm. 2 D; Rosenberg/Schwab, ZPR 14. Aufl. § 159 VI 2 = S. 1017). Die Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß es hier an einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse fehle, unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Diese Bedenken bestehen nicht dagegen, daß das Berufungsgericht auf die Höhe des vollen Unterhaltsanspruchs abgestellt hat, welcher der Beklagten nach der Entscheidung im Vorprozeß an sich zustand, und geprüft hat, ob die veränderten Verhältnisse im Vergleich dazu einen nicht unerheblichen Anstieg des Unterhaltsanspruchs ergeben. Rechtlich bedenklich ist vielmehr die Beurteilung der neuen Verhältnisse und ihrer Erheblichkeit für die Leistungspflicht.

a) Zu Recht wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung die Arbeitslosenhilfe, welche die Beklagte in der Zeit vom 5. März bis 30. September 1985 bezogen hat, zu ihren Einkünften im Sinne von § 1577 Abs. 1 BGB gerechnet hat. Allerdings hat Arbeitslosenhilfe, ebenso wie Arbeitslosengeld, eine Lohnersatzfunktion (vgl. BGH Urteil vom 20. März 1984 - VI ZR 14/82 - NJW 1984, 181l, 1812, 1813). Demgemäß ist anerkannt, daß sie auf seiten des Unterhaltspflichtigen als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl. BSG FamRZ 1985, 379, 380; Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis S. 14 m.w.N.). Andererseits ist Arbeitslosenhilfe eine Sozialleistung, für die der Grundsatz der Subsidiarität gilt ( § 134 Abs. 1 Nr. 3, 137 Abs. 1, 138 Abs. 1 AFG). Zu den Leistungen Dritter, die hier angerechnet werden, gehören insbesondere auch solche, die der Arbeitslose von seinem geschiedenen Ehegatten als Unterhalt beanspruchen kann (vgl. etwa Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, AFG § 137 Anm. 2, § 138 Anm. 27 f). Kann der Arbeitslose seine bestehenden Ansprüche (noch) nicht durchsetzen, bietet § 140 Abs. 1 AFG dem Arbeitsamt die Möglichkeit, dem Arbeitslosen zur Vermeidung von Härten Arbeitslosenhilfe zu zahlen (Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock aaO. § 140 Anm. 2). Nach § 140 Abs. 1 Satz 2 AFG hat das Arbeitsamt die Gewährung der Arbeitslosen hilfe dem Leistungspflichtigen unverzüglich anzuzeigen. Die Anzeige bewirkt, daß der Anspruch des Arbeitslosen gegen den Leistungspflichtigen in Höhe der an Arbeitslosenhilfe erbrachten Leistungen auf den Bund übergeht (§ 140 Abs. 1 Satz 3 AFG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die einem Unterhaltsberechtigten gewährten Sozialleistungen keine Einkünfte dar, die seine Unterhaltsbedürftigkeit mindern, wenn die Leistungen nur subsidiär gewährt werden und Vorleistungen nach Überleitung des entsprechenden Unterhaltsanspruchs vom Unterhaltsverpflichteten zurückgefordert werden können (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1979 - IV ZR 171/78 - FamRZ 1980, 126, 128; vgl. auch Senatsurteil vom 17. März 1982 - IVb ZR 646/80 - FamRZ 1982, 587 sowie Urteile vom 13. Dezember 1978 - IV ZR 49/77 - FamRZ 1979, 21l, 212 ff; 4. April 1979 - IV ZR 62/78 - FamRZ 1979, 470, 471 und Senatsurteil vom 4. Juni 1986 - IVb ZR 48/85 - BGHR BGB 1569 Bedürftigkeit 1 = FamRZ 1986, 889). Hiernach hat auch die Arbeitslosenhilfe, die einem Unterhaltsbedürftigen geleistet wird, auf dessen Unterhaltsanspruch grundsätzlich keinen Einfluß; sie mindert seine Bedürftigkeit im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen nicht und gehört nicht zu den Einkünften im Sinne von § 1577 Abs. 1 BGB (vgl. BSG FamRZ 1967, 672, 673; OLG Hamburg FamRZ 1982, 710; OLG Frankfurt FamRZ 1983, 917, 918; Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Bremen FamRZ 1985, 28; Weychardt, Zur Weiterentwicklung der Frankfurter Unterhaltsrechtsprechung, DAVorm 1984, 82, 91; Heiß/Heiß, Unterhaltsrecht S. 2.83; Soergel/Häberle BGB 11. Aufl. § 1577 Rdn. 6; vgl. auch Rolland, 1 EheRG 2. Aufl. § 1577 Rdn. 5 a). In Einschränkung dieses Grundsatzes wird in der Rechtspraxis verschiedentlich der Standpunkt vertreten, daß die Arbeitslosenhilfe dann als Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen sei, wenn das Arbeitsamt den Unterhaltsanspruch nicht auf den Bund überleite (vgl. OLG Schleswig FamRZ 1985, 68, 69 sowie Leitlinien der Familiensenate des OLG Schleswig FamRZ 1985, 886 unter A I 8; Unterhaltsrichtlinien der Familiensenate des OLG Köln FamRZ 1985, 24, 26 Anm. 8.5; Kalthoener/Büttner, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 3. Aufl. Rdn. 250 f; Wendl/Staudigl aaO.; vgl. auch Göppinger, Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 218).

Inwieweit dem zu folgen ist, braucht hier nicht näher erörtert zu werden (zur Beurteilung dieser Frage bei der Gewährung von Sozialhilfe vgl. Senatsurteile vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 38/82 - FamRZ 1984, 364, 366 sowie vom 3. April 1985 - IVb ZR 14/84 - FamRZ 1985, 1245). Auch wenn jener Standpunkt zu teilen und mithin dem Oberlandesgericht darin zuzustimmen wäre, daß die Arbeitslosenhilfe der Beklagten als bedürftigkeitsminderndes Einkommen zu berücksichtigen sei, falls das Arbeitsamt den Unterhaltsanspruch nicht nach § 140 AFG auf den Bund überleite, kann die Beurteilung des Oberlandesgerichts hier doch keinen Bestand haben. Da nicht davon ausgegangen werden kann, daß das Unterbleiben einer Anspruchsüberleitung in der Praxis die Regel ist, rügt die Revision zu Recht, daß das Oberlandesgericht nicht ohne entsprechenden Sachvortrag der Parteien davon ausgehen durfte, das Arbeitsamt habe hier von einer Überleitung des Unterhaltsanspruchs abgesehen. Außerdem durfte das Gericht, nachdem die Frage der Anrechnung der Arbeitslosenhilfe im Rechtsstreit von keiner Seite angesprochen worden war, nicht ohne entsprechenden vorherigen Hinweis die Arbeitslosenhilfe als bedürftigkeitsminderndes Einkommen im Sinne von § 1577 Abs. 1 BGB berücksichtigen. Die hiergegen erhobene Rüge aus § 139 ZPO greift daher gleichfalls durch.

Hiernach ist für die materiell-rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz davon auszugehen, daß der von der Revision angekündigte Sachvortrag bewiesen worden wäre und der Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger auf den Bund übergeleitet worden ist, so daß die Arbeitslosenhilfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden durfte.

b) Ein weiteres durchgreifendes Bedenken gegen die Berechnung des Unterhaltsanspruchs durch das Berufungsgericht ergibt sich aus dem Vorwegabzug des Kindesunterhalts. Dieses Bedenken besteht nicht nur insoweit, als von dem Nettoeinkommen des Klägers mehr als der Tabellensatz der untersten Einkommensgruppe als Mindestbedarfssatz abgezogen worden ist, sondern gegen den Vorwegabzug überhaupt.

Ein derartiger Vorwegabzug des Kindesunterhalts, wie er in der Rechtspraxis bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts nach einer Quote vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen oder von der Differenz der beiderseitigen Einkünfte üblich ist, ist nur dann rechtlich bedenkenfrei, wenn es um den Unterhalt für ein gemeinschaftliches Kind der Ehegatten oder für ein Kind des Unterhaltspflichtigen geht, für das er bereits während der Ehe aufzukommen hatte, so daß bereits die ehelichen Lebensverhältnisse durch diese Unterhaltsverpflichtung mit geprägt wurden. Da der geschiedene Ehegatte nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB Anspruch auf einen den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechenden Unterhalt hat, ist es in derartigen Fällen gerechtfertigt und grundsätzlich sogar geboten, bei der Unterhaltsbemessung entsprechende Vorwegabzüge vom Einkommen des Verpflichteten zu machen, soweit die sich daraus ergebende Verteilung der zum Unterhalt von Ehegatten und Kindern zur Verfügung stehenden Mittel nicht in einem Mißverhältnis zum wechselseitigen Lebensbedarf der Beteiligten steht. Das hat der Senat selbst für den Fall entschieden, daß der Unterhalt an volljährige Kinder zu entrichten ist (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 1980 - IVb ZR 534/80 - FamRZ 1981, 241, 242; 23. November 1983 - IVb ZR 15/82 - FamRZ 1984, 151, 153 und 19. Juni 1985 - IVb ZR 38/84 - FamRZ 1985, 912, 916). Derselbe aus § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB abgeleitete Sachgrund steht einem Vorwegabzug des Kindesunterhalts jedoch entgegen, wenn der Verpflichtete den Unterhalt für ein Kind zu entrichten hat, das, wie im vorliegenden Fall, aus einer späteren Ehe hervorgegangen ist. Hier liefe der Vorwegabzug des Kindesunterhalts von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen auf eine Schmälerung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten hinaus, die dieser als mit dem minderjährigen Kinde gleichrangiger Unterhaltsberechtigter (vgl. Senatsurteil vom 27. April 1983 - IVb ZR 372/81 - FamRZ 1983, 678, 680) nicht hinzunehmen braucht. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Unterhaltspflichtige nur beschränkt leistungsfähig ist; denn auch hier ist die Konkurrenz der Ansprüche nicht im Wege des Vorwegabzuges des Kindesunterhalts, sondern dadurch zu regeln, daß der Betrag, der nach Abzug des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen für die Unterhaltsberechtigten verbleibt, zwischen ihnen unter Berücksichtigung der Rangverhältnisse nach dem Verhältnis der Bedarfsbeträge aufzuteilen ist (vgl. auch Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 - IVb ZR 52/84 - FamRZ 1986, 48, 50 zur Bemessung der Unterhaltsansprüche gleichrangiger - volljähriger - Kinder in einem Mangelfall).

c) Wird der Unterhaltsanspruch der Beklagten ohne vorherigen Abzug des Kindesunterhalts vom Nettoeinkommen des Klägers und ohne Berücksichtigung der Arbeitslosenhilfe als Eigeneinkommen der Beklagten berechnet, so ergibt sich unter Zugrundelegung der übrigen Berechnungsgrundlagen des Berufungsurteils für die Zeit vom 5. März bis 30. September 1985 ein Betrag, der den im Vorprozeß ermittelten Monatsbetrag von 946,40 DM um mehr als 200 DM und damit in einem die Voraussetzung des § 323 Abs. 1 ZPO erfüllenden Maße übersteigt.

Hiernach kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Es unterliegt nicht nur insoweit der Aufhebung, als die Abänderungswiderklage der Beklagten für den Zeitraum vom 5. März bis 30. September 1985 erfolglos geblieben ist, sondern soweit das Berufungsgericht diese Klage überhaupt abgewiesen hat, gleichgültig ob und inwieweit der Unterhaltsanspruch auch für die Zeit ab 1. Oktober 1985 den früher errechneten Unterhaltsbetrag übersteigt. Denn die Beklagte kann im Rahmen der stattgebenden Entscheidung über die Abänderungswiderklage, die durch die Änderung der Verhältnisse in der Zeit vom 5. März bis 30. September 1985 eröffnet ist, ihren vollen Unterhalt zur Geltung bringen, so daß ihr auf ihre Klage sowohl für diesen Zeitraum als auch für die Zeit ab 1. Oktober 1985 auf jeden Fall eine höhere Unterhaltsrente zuerkannt werden kann, als ihr in dem abzuändernden Titel zugesprochen worden ist.

In seiner Entscheidung vom 11. Januar 1984 (aaO. S. 376) hat der Senat dargelegt, daß es mit den Grundsätzen der Billigkeit nicht zu vereinbaren wäre, wenn ein Unterhaltsgläubiger, der mit seiner Unterhaltsklage nicht seinen gesamten, an sich berücksichtigungsfähigen Unterhaltsbedarf oder sonst einen hinter dem ihm an sich zustehenden Unterhalt zurückbleibenden Rentenbetrag geltend macht - ohne damit nur eine Teilklage zu erheben (vgl. Senatsurteil vom 3. April 1985 - IVb ZR 19/84 - FamRZ 1985, 690) - und mit seinem Klageantrag in vollem Umfang durchdringt, künftig nur noch den im Vorprozeß zugesprochenen Anteil geltend machen könnte. Allerdings bleibt dem Unterhaltsgläubiger die Möglichkeit verschlossen, die Korrektur des Urteils sogleich nach Abschluß des ersten Verfahrens durchzusetzen. Denn die Änderung eines (mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren) Urteils über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen kann ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall eine Rechtskraftwirkung besteht, nur im Wege einer Klage nach § 323 ZPO erreicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 15. Oktober 1986 aaO.). Demgemäß muß der Unterhaltsgläubiger, wenn er den vollen Unterhaltsanspruch durchsetzen will, den Eintritt einer Abänderungssituation abwarten, die ihn zur Klage nach § 323 Abs. 1 ZPO berechtigt. Wird indessen eine Unterhaltsanpassung zu seinen Gunsten eröffnet, weil sich die seinerzeit maßgebend gewesenen Verhältnisse wesentlich geändert haben, und kommt es somit zu einer abändernden Entschei dung, ist der Unterhaltsgläubiger aus den dargelegten Gründen der Billigkeit nicht mehr gehindert, mit Wirkung für die Zukunft den vollen Unterhalt zu verlangen (vgl. auch Senatsurteil vom 3. April 1985 - IVb ZR 19/84 - FamRZ 1985, 690, 691 zur nach träglichen Geltendmachung des Vorsorgeunterhalts). Eine derartige Verfahrenslage ist auch im vorliegenden Fall gegeben, da es infolge wesentlicher Veränderung der Verhältnisse in der Zeit vom 5. März bis 30. September 1985 zu einer Abänderungsentscheidung zu Gunsten der Beklagten kommt. Damit kann sie für die Zeit ab 5. März 1985 ihren Unterhaltsanspruch bis zur vollen Höhe geltend machen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992893

NJW 1987, 1551

BGHR BGB § 1569 Bedürftigkeit 2

BGHR BGB § 1577 Abs. 1 Bedürftigkeit 1

BGHR BGB § 1578 Abs. 1 Satz 1 Quotenunterhalt 1

BGHR BGB § 1581 Satz 1 Leistungsfähigkeit 1

BGHR BGB § 1581 Satz 1 Leistungsfähigkeit 2

BGHR BGB § 1603 Abs. 1 Leistungsfähigkeit 1

BGHR ZPO § 323 Abs. 1 Bindung 2

DRsp I(166)168b-c

FamRZ 1987, 456

MDR 1987, 653

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