Leitsatz (amtlich)

1. Eine Beitragsanpassungsklausel in der privaten Krankheitskostenversicherung, die § 8b Abs. 2 MB/KK entspricht, ist unwirksam, da ihr Wortlaut eine Beitragsanpassung nach Ermessen des Versicherers auch bei einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen zulässt entgegen der insoweit zwingenden gesetzlichen Regelungen der §§ 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F., 155 Abs. 3 Satz 2 VAG, 203 Abs. 2 VVG.

2. Die Unwirksamkeit einer Beitragsanpassungsklausel in der privaten Krankheitskostenversicherung, die § 8b Abs. 2 MB/KK entspricht, lässt den von ihr sprachlich und inhaltlich selbstständigen Teil einer § 8b Abs. 1 MB/KK entsprechenden Beitragsanpassungsklausel unberührt; der unwirksame Teil der Klausel wird durch die gesetzliche Regelung des § 203 Abs. 2 VVG ersetzt (entgegen OLG Köln, Urteil vom 22. September 2020 - I-9 U 237/19 - juris).

3. Eine Beitragsanpassungsklausel in der privaten Krankheitskostenversicherung, die § 8b Abs. 2 MB/KK 2009 entspricht, ist unwirksam, weil sie entgegen § 203 Abs. 2 VVG Beitragsanpassungen auch bei einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen zulässt.

 

Normenkette

BGB § 306 Abs. 1, § 307 Abs. 2; VAG a.F. § 12b Abs. 2 S. 2; VAG § 155 Abs. 3 S. 2; VVG § 203 Abs. 2

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 4. Juni 2021 - Az.: 4 O 400/20 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers, welche dieser seit dem 1. April 2008 bei der Beklagten zur Versicherungsscheinnummer 8663121-510 mit verschiedenen Tarifen unterhält. In den Versicherungsschutz war anfänglich auch A. einbezogen. Dem Vertrag liegen u. a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung zugrunde, darunter auch die Musterbedingungen MB/KK 2009 (Stand Januar 2014) und die Tarifbedingungen (Anlage BLD 1, Anlagenband B). Die unter § 10b AVB für Beitragsanpassungen gefasste Regelung, die an die Regelung des § 8b MB/KK angelehnt ist, lautet auszugsweise wie folgt:

1) Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z. B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt die Gegenüberstellung zu den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifes eine Abweichung von mehr als 10 % werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. Bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. Ergibt die Gegenüberstellung zu den Sterbewahrscheinlichkeiten für eine Beobachtungseinheit eines Tarifes eine Abweichung von mehr als 5 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.

Bei einer Beitragsanpassung kann auch eine betragsmäßig festgelegte Selbstbeteiligung angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden. Im Zuge einer Beitragsanpassung werden auch der für die Beitragsgarantie im Standardtarif erforderliche Zuschlag (§ 19 Abs. 1 Satz 2) sowie der für die Beitragsbegrenzungen im Basistarif erforderliche Zuschlag (§ 20 Satz 2) mit den jeweils kalkulierten Zuschlägen verglichen und, soweit erforderlich, angepasst.

(2) Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

[...]

Im Laufe des Vertragsverhältnisses informierte die Beklagte den Kläger mehrfach jeweils im November eines Jahres über Beitragserhöhungen zum 1. Januar des Folgejahres. Streitgegenständlich im Berufungsverfahren ist lediglich noch die Beitragsanpassung zum 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2019 über monatlich 49,20 EUR im Tarif ... - Anlage BLD 3-7 (Anlagenband B), der eine Abweichung der tatsächlich erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen in einem Umfang von 7,5 % zugrunde lag.

Der Kläger hat ...

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