Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 28.05.2015; Aktenzeichen 17 O 79/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.05.2015 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Kiel (17 O 79/15) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Verfügungsbeklagten hat es zu unterlassen, ohne Differenzierung die Beförderung von E-Scootern in ihren Bussen auszuschließen.

Der Verfügungsbeklagten wird bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monate, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, angedroht.

Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 20 % und die Beklagte 80 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger will im Verfügungsverfahren erreichen, dass die Verfügungsbeklagte ihre frühere Praxis zum Transport von E-Scootern in Bussen beibehält.

Der Verfügungskläger ist ein Verein von Menschen mit körperlichen Behinderungen. Sein Zweck ist es unter anderem, die Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Körperbehinderung zu fördern und den Abbau von die Mobilität einschränkenden Barrieren voranzutreiben. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Verfügungsbeklagte betreibt den öffentlichen Personennahverkehr in K1. Sie hat früher ohne Einschränkungen E-Scooter in ihren Bussen befördert. Im Februar 2015 hat sie angekündigt, keine E-Scooter mehr in Bussen zu befördern. Nutzer von E-Scootern können in der Zeit zwischen 6:00 und 24:00 Uhr einen Einzeltransport mit einer Rufzeit von 30 bis 60 Minuten nutzen oder sich einen Berechtigungsausweis ausstellen lassen, für den sie unter anderem eine Bescheinigung des Herstellers oder Händlers über die Standstabilität vorlegen müssen. Anlass für diese Regelung war eine Empfehlung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VdV), der auf eine Studie der STUVA aus dem Mai 2014 (Anlage AS 4, Bl. 21 - 34 d.A.) zurückgeht, wonach E-Scooter in bestimmten Fahrsituationen in Bussen kippen oder rutschen können.

E-Scooter werden überwiegend von körperlich eingeschränkten bzw. behinderten Personen genutzt. Die Krankenkassen bewilligen sie eher als teurere Elektrorollstühle.

Mit Schreiben vom 26.02.2015 mahnte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte ab (Anlage AS 14, Bl. 64 - 70 d.A.). Diese lehnte es mit Schreiben vom 05.03.2015 ab, zu ihrer vorherigen Praxis zurückzukehren (Anlage AS 15, Bl. 71 d.A.).

Der Verfügungskläger hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, nach der die Verfügungsbeklagte es zu unterlassen habe, Fahrgästen mit E-Scootern in ihren Fahrzeugen die Beförderung zu verweigern. Die Verfügungsbeklagte hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.

Die Verfügungsbeklagte hat behauptet, der Versorgungszweck von E-Scootern sei nicht die Teilnahme am öffentlichen Personennahverkehr. Hersteller von E-Scootern schlössen die Nutzung in anderen Fahrzeugen aus.

Einige Bauarten könnten beim Anfahren oder Bremsen kippen. In einem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 01.07.2009 (15 U 13/08) sei ein Unfall mit einem E-Scooter in einem Bus in Hamburg dokumentiert. Es habe bereits mehrere Fälle von Kippen oder Rutschen von E-Scootern gegeben. In dem Gutachten der DEKRA vom 19.05.2015 (Anlage AG 5) sei das Rutschen eines längs entgegen der Fahrtrichtung aufgestellten E-Scooters, vor allem ohne aufsitzende Person, dokumentiert. Es gäbe keine zugelassenen Rückhaltesysteme für Busse. Es gäbe auch keine Normung von Scootern, also auch keine einheitlichen Zurrpunkte. Auch in Bussen gäbe es keine Festpunkte.

Das LG, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat den Antrag des Verfügungsklägers zurückgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, weil dem Verfügungskläger die Prozessführungsbefugnis fehle. Für die erhobene Verbandsklage fehle ihm ein Klagerecht nach § 1 oder § 2 UKlaG. Gegenstand des Begehrens seien nicht AGB. Der Verfügungskläger stützte sich auf § 19 AGG. Dabei handele es sich nicht um ein Verbraucherschutzgesetz. Die Regelung knüpfe nicht an die Risiken des geschäftlichen Verkehrs an, sondern solle die Benachteiligung bestimmter Personengruppen verhindern.

Der Antrag sei auch unbegründet. Er sei bereits zu weit, weil der Verfügungskläger sich nur für Behinderte einsetzen könne, E-Scooter jedoch unstreitig auch von Senioren genutzt würden.

Der Verfügungskläger strebe eine Leistungsverfügung an, so dass an die Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes hohe Ansprüche zu stellen seien. Die frühere Praxis der Verfügungsbeklagten begründe keine Rechte.

Der Verfügungskläger habe einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Verfügungsbeklagte habe glaubhaft gemacht, dass der Transport von E-Scootern wegen Sicherheitsbedenken nicht verantwortbar sei. Das gehe bereits aus der Studie der STUVA aus Mai 2014 hervor, die wissenschaftlich nich...

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