YouTube: OLG zur Angemessenheit eines Ordnungsgeldes

Das OLG Dresden hat ein von einem LG gegen die Internetplattform YouTube verhängtes Ordnungsgeld von 1.000 Euro wegen Verstoß gegen eine zivilrechtliche Unterlassungsverfügung auf 100.000 Euro hochgesetzt.

Die Vollstreckung einer zivilgerichtlichen Unterlassungsverfügung erfolgt in der Regel durch Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes ersatzweise Ordnungshaft. In der Vollstreckungspraxis erfolgt zu Beginn einer Vollstreckung häufig die Festsetzung eines eher geringen Ordnungsgeldes von oft höchstens 1.000 Euro. Diese Höhe hat das OLG Dresden im Fall einer Vollstreckung gegen die Internetplattform YouTube als unangemessen niedrig bewertet.

Einstweilige Unterlassungsverfügung gegen YouTube

Das OLG Dresden hatte mit Urteil vom 20.4.2021 die Internetplattform YouTube im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es zu unterlassen, ein von dem Verfügungskläger auf der Internetplattform der Verfügungsbeklagten hochgeladenes Video von der Plattform zu entfernen und/oder den Verfügungskläger wegen des Hochladens mit einer Verwarnung zu versehen. Das entsprechende Urteil wurde YouTube vom Verfügungskläger im Parteibetrieb am 23.4.2021 zugestellt.

Verfügungskläger beantragt Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft

Nachdem YouTube der Verfügung am 30.4.2021 noch nicht nachgekommen war, hat der Verfügungskläger die Verhängung eines Ordnungsgeldes von nicht unter von 20.000 Euro beantragt. Das LG Chemnitz hat dem Antrag nur teilweise entsprochen und ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festgesetzt. Hiergegen hat der Verfügungskläger unter Aufrechterhaltung seines ursprünglichen Antrags Beschwerde eingelegt und des weiteren die Verhängung von Ordnungshaft beantragt, die gegebenenfalls an den Geschäftsführern der Beklagten vollziehen sei.

Beschwerde beim OLG erfolgreich

Die Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg. Nach Auffassung des Senats war der Vollstreckungsantrag gemäß § 890 ZPO zulässig, da die Verfügungsbeklagte der Unterlassungsverpflichtung aus dem Verfügungstitel zuwider gehandelt hatte. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000 Euro durch das zunächst zuständige LG bewertete das OLG als unangemessen niedrig.

Ordnungsgeld und Ordnungshaft mit doppelter rechtlicher Funktion

Das OLG stellte klar, dass die Höhe eines Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO an ihrem Zweck zu bemessen sei. Ordnungsgeld und Ordnungshaft seien

  • zivilrechtliche Beugemaßnahmen,
  • die präventiv künftige Zuwiderhandlungen verhindern sollen und
  • repressiv eine strafähnliche Funktion zur Sanktionierung der Übertretung der gerichtlichen Verfügung darstellen.

Ordnungsmittel müssen zur Zweckerreichung angemessen sein

Vor diesem Hintergrund sind Ordnungsmittel nach der Entscheidung des OLG so zu bemessen, dass sowohl der präventive als auch der repressive Zweck in der Realität auch erreicht werden können. Zu berücksichtigen seien dabei u.a.

  • Art, Umfang und Dauer des Verstoßes,
  • der Verschuldungsgrad,
  • der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung,
  • die Gefährlichkeit künftiger Wiederholungen der Verletzungshandlung.

Umsetzung der Unterlassungsverfügung um mehr als 3 Wochen verzögert

Nach Einschätzung des OLG hatte das LG die Bedeutung des von der Verfügungsbeklagten begangenen Verstoßes gegen die gerichtliche Verfügung nicht zutreffend eingeschätzt. Das maßgebliche Unterlassungsurteil sei bereits mit Verkündung am 20.4.2021 für die Verfügungsbeklagte verbindlich gewesen und ihr am 23.4.2021 zugestellt worden. Das streitgegenständliche Video habe sie nach ihrem eigenen Vorbringen erst am 14.5.2021 wieder abrufbar in den Kanal des Verfügungsklägers eingestellt. Die verzögerte Umsetzung der Unterlassungsverfügung sei nach eigener Darstellung der Verfügungsbeklagten auch nicht auf technische Probleme zurückzuführen, sondern darauf, dass YouTube eine von der gerichtlichen Entscheidung abweichende Rechtsbewertung vorgenommen habe und seine möglicherweise noch bestehenden rechtlichen Optionen prüfen wollte.

Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung war vorsätzlich und schwerwiegend

Eine solche Bewertung und Abwägung noch möglicher rechtlicher Schritte hätte nach Auffassung des Senats nicht zu einer verzögerten Umsetzung der verbindlichen Gerichtsentscheidung führen dürfen. Die Unterlassungsverfügung sei mit Verkündung sofort wirksam geworden und hätte unverzüglich umgesetzt werden müssen. Nach der eigenen Sachdarstellung der Verfügungsbeklagten sei die Verzögerung vorsätzlich erfolgt und deshalb als schwerer Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung zu bewerten.

100.000 Euro Ordnungsgeld sind vertretbares Minimum

Unter Berücksichtigung dieser Schwere des Verstoßes und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten bewertete das Gericht das zunächst vom LG verhängte Ordnungsgeld von 1.000 Euro als deutlich untersetzt und setzte dieses auf 100.000 Euro hoch. Das OLG wies darauf hin, dass diese Höhe unter Abwägung sämtlicher Umstände als gerade noch ausreichend anzusehen sei. Außerdem setze das Gericht die Verhängung einer Ersatzordnungshaft von 1 Tag Ordnungshaft für jeweils 20.000 Euro Ordnungsgeld fest, die gegenüber den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.


(OLG Dresden, Beschluss v. 29.6.2021, 4 W 396/21)