Entscheidungsstichwort (Thema)

Reichweite des Einwendungsdurchgriffs des Verbrauchers bei finanziertem Beitritt zu einem Immobilienfonds

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen eines auf § 9 VerbrKrG gestützten Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriffs kann der Verbraucher ggü. der finanzierenden Bank nur Einwendungen aus dem finanzierten Rechtsgeschäft entgegen halten. Die Erstreckung des Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriffs durch den II. Zivilsenat des BGH auf Rechtsverhältnisse zu anderen Dritten, nämlich im Falle des finanzierten Beitritts zu einem Immobilienfonds zu den "Gründungsgesellschaftern des Fonds und den Initiatoren, maßgeblichen Betreibern, Managern und Prospektherausgebern und sonst für den Anlageprospekt Verantwortlichen" (BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 395/01, BGHReport 2004, 1292 = MDR 2004, 1193 = ZIP 2004, 1402 ff. = WM 2004, 1521 ff.), findet in § 9 VerbrKrG keine Grundlage und ist auch im Wege der zulässigen Rechtsanalogie oder Rechtsfortbildung nicht begründbar.

2. Im Falle eines auf § 9 Abs. 3 VerbrKrG gestützten Einwendungsdurchgriffs kann der Verbraucher ggü. der finanzierenden Bank sich auf verjährte Forderungen nur berufen, wenn die Verjährung ggü. dem betreffenden Vertragspartner des finanzierten Geschäfts unterbrochen oder gehemmt worden ist.

3. Es wird daran festgehalten, dass der Verbraucher bei gem. § 5 Abs. 2 HausTWG a.F. gebotener Widerrufsbelehrung nach den Vorgaben des § 7 VerbrKrG trotz Vorliegens einer "Haustürsituation" über sein Widerrufsrecht nicht noch zusätzlich in einer den Anforderungen des Haustürwiderrufsgesetzes entsprechenden Weise zu belehren ist (Fortführung von OLG Schleswig v. 22.4.2004 - 5 U 62/03, OLGReport Schleswig 2004, 375 = WM 2004, 1959 ff.).

4. Die Bindungswirkung einer revisionsgerichtlichen Entscheidung (§ 563 Abs. 2 ZPO) besteht nur hinsichtlich tatsächlich mitgeteilter Rechtsauffassungen des Revisionsgerichts.

5. § 563 Abs. 2 ZPO ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung - unter gleichzeitiger Zulassung der erneuten Revision - nicht an eine seiner Auffassung nach die verfassungsrechtlichen Grenzen der Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung überschreitende oder ernstlich berührende Rechtsauffassung des Revisionsgerichts gebunden ist.

 

Normenkette

VerbrKrG § 9; HausTWG §§ 1-2, 5 Abs. 2; ZPO § 563 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 20.09.2001; Aktenzeichen 9 O 64/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen XI ZR 347/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.9.2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des LG Kiel (Az.: 9 O 64/01) geändert und insgesamt - wie folgt - neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen sowie der Widerklage werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 20.391,30 EUR nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinsatz der Europäischen Zentralbank auf 23.985,52 EUR vom 10.1.2001 bis zum 30.11.2001 und auf 20.391,30 EUR seit dem 1.12.2001 zu zahlen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites einschließlich des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jedoch können die Parteien die Vollstreckung der anderen Seite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Bank, nimmt die Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, mit welchem diese ihre Beteiligung an einer die Investition in eine Ost-Immobilie betreffende Publikumsgesellschaft finanziert haben. Die Beklagten verweigern die Rückzahlung unter Hinweis auf eine Falschberatung und verlangen widerklagend Rückzahlung der auf den Darlehensvertrag geleisteten Zinsen und Rückabtretung der aus einer Kapital- und Lebensversicherung auf die Klägerin übertragenen Ansprüche.

Die Beklagten wurden im Juli 1992 von einem für die H Vermögens- und Anlageberatungs GmbH (im Folgenden H) tätigen Vermittler P geworben, sich an dem geschlossenen Fonds 15 der GVV-Grundstücks- und Vermögensverwaltungsgesellschaft GbR (im Folgenden GVV-GbR) zu beteiligen. Initiatoren dieses Fonds waren die D.-Baugesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau mbH (im Folgenden D.-Bau GmbH) und deren damaliger Geschäftsführer W G, der u.a. auch in dieser Sache durch rechtskräftiges Urteil des LG München II - W 5 Kls 63 JS 28029/95 - vom 7.5.1999 (LG München II, Urt. v. 7.5.1999 - W 5 Kls 63 JS 28029/95) wegen Kreditanlagebetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden ist. Der Immobilienfonds 15 bezog sich auf das von der D.-Bau GmbH zu errichtende Neubauobjekt in Dresden, G.-straße 172. Das vorgesehene Gesamtkapital, zugleich der vorgesehene jeweilige Gesamtaufwand, betrug nach den für den Fond ausgegebenen "Investitions- und Finanzieru...

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