Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines der Arglisthaftung gleichzusetzenden Haftung wegen Organisationsverschuldens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist beim Abschluss von nicht der Bereichsausnahme des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG unterfallenden Personalkreditverträgen der Verbraucher trotz "Haustürsituation" gem. § 5 Abs. 2 HWiG allein in den Anforderungen des § 7 VerbrKrG entsprechender Weise über ein Widerrufsrecht belehrt worden, so führt es nicht zum unbefristeten Widerrufsrechts des Verbrauchers nach dem HWiG, dass die Widerufsbelehrung nicht zugleich auch den Anforderungen des § 2 Abs. 1 HWiG a.F. entspricht. Weder der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 ("Haustürgeschäfterichtlinie") noch dem Gebot einer widerspruchsfreien Interpretation des nationalen Rechts kann die Notwendigkeit entnommen werden, beim Abschluss derartiger Kreditverträge den Verbraucher zusätzlich in den Anforderungen des HWiG entsprechender Weise zu belehren.

2. Der Annahme der Vereinbarung eines Disagio in einem Kreditvertrag steht nicht entgegen, dass zunächst das gesamte Darlehen tilgungsfrei ausgestaltet ist.

3. Zur Verwirkung des einem bei seinem Fondsbeitritt arglistig getäuschten Fondsgesellschafter nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft zustehenden Kündigungsrechts.

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 17.04.2003; Aktenzeichen 12 O 162/02)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.02.2006; Aktenzeichen II ZR 327/04)

BGH (Urteil vom 12.12.2005; Aktenzeichen II ZR 327/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen das am 17.4.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Lübeck - 12 O 162/02 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner 28.214,58 Euro nebst 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 8.12.2001, ferner 4 % Zinsen p.a. auf diesen Verzugszins seit dem 22.6.2002 sowie weitere 3,84 Euro verzinsliche Kosten nebst 4 % Zinsen p.a. hierauf seit dem 25.5.2002 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage und die Widerklage der Beklagten werden abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch können die Beklagten die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Bank, nimmt die Beklagten auf Rückzahlung von Darlehen in Anspruch, mit welchen diese ihre Beteiligung an einer die Investition in eine Ostimmobilie betreffenden Publikumsgesellschaft finanziert haben. Die Beklagten verweigern die Rückzahlung unter Hinweis sowohl auf Falschberatung als auch erklärtem Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz und verlangen widerklagend Rückzahlung der erbrachten Zinszahlungen und Rückabtretung der aus Kapital- und Lebensversicherungen auf die Klägerin übertragenen Ansprüche, wobei sie zugleich die erworbene Fondsbeteiligung der Klägerin zur Verfügung stellen.

Die Beklagten wurden Ende Juni/Anfang Juli 1993 in ihrer Wohnung von dem für die H. Vermögens- und Anlagenberatungs GmbH tätigen Vermittler Hu. nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme geworben, sich an dem für eine Immobilie in Dresden gebildeten geschlossenen Fonds Nr. 16 der G. Grundstücks- und Vermögensverwaltungsgesellschaft GbR (im Folgenden: G.-GbR) zu beteiligen. Initiatorin dieses Fonds war die D.-Bau Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau mbH (im Folgenden: D.-Bau GmbH) deren Geschäftsführern Wolfgang G. u.a. auch in dieser Sache wegen Kreditanlagebetruges strafrechtlich verurteilt worden ist. Das vorgesehene Gesamtkapital und zugleich der vorgesehene Gesamtaufwand betrug nach dem Vortrag der Beklagten 8,5 Mio. DM, von denen aufgrund unredlichen Verhaltens letztlich nur 3,5 Mio. DM investiert worden seien. Nach Darstellung der Beklagten warb der Vermittler Hu. u.a. mit den in Dresden zu erwartenden Miet- und Wertsteigerungen und der zu erwartenden Steuervorteile für den "Aufbau Ost", zwecks deren Ausschöpfung es auch zweckmäßig sei, die Darlehenstilgung über eine Lebensversicherung vorzunehmen.

Vor diesem Hintergrund - der genaue Ablauf der Ereignisse ist streitig - unterzeichneten die Beklagten nach dem Besuch des Vermittlers Hu. in ihrer Wohnung zum einen am 24.8.1993 eine Beitrittserklärung zum Fonds sowie zum anderen - und dies bereits am 14.7.1993 vor einem ihre Unterschriften beglaubigenden Notar - Darlehensverträge mit der Klägerin über ein Darlehen i.H.v. 42.500 DM zum Auszahlungskurs von 91 % bei angegebener effektiver anfänglicher Jahresverzinsung von 10,95 % und angegebenem Disagio von 3.825 DM, rückzahlbar bei Fälligkeit der abgetretenen Lebensversicherung, sowie über ein mittels gleichbleibender Raten zu tilgendes Darlehen von 16.488,76 DM zum Auszahlungskurs von 91 % bei angegebener effektiver anfänglicher Jahresverzinsung von 11,2 % und angegebenem Disagi...

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