Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Ausschluss eines Angebots wegen Veränderung der Vergabeunterlagen und wegen Versäumung einer Frist zur Nachreichung von Unterlagen. Zur Dokumentation der Verlängerung einer Frist. Zur Aufhebung eines Vergabeverfahrens und deren Wirksamkeit.

 

Normenkette

VgV §§ 8, 15 Abs. 5, § 56 Abs. 2, 4, § 57 Abs. 1 Nrn. 1-2, 4, 6, § 63 Abs. 1 Nrn. 2-4

 

Verfahrensgang

VK Schleswig-Holstein (Beschluss vom 12.05.2023; Aktenzeichen VK-SH 05/23)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der weitergehenden sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 12.05.2023 (VKSH 05/23) wird festgestellt, dass das Nachprüfungsverfahren erledigt ist.

Es wird festgestellt, dass die Rechte der Antragstellerin in dem von dem Antragsgegner durchgeführten Vergabeverfahren verletzt worden sind. Es wird festgestellt, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer tragen der Antragsgegner und die Beigeladene als Gesamtschuldner. Von den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Nachprüfungsverfahren notwendigen Auslagen der Antragstellerin tragen der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils die Hälfte. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Von den Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB und den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Beschwerdeverfahren notwendigen Auslagen der Antragstellerin tragen der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils die Hälfte.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin 20 % und der Antragsgegner 80 %. Der Antragsgegner trägt 80 % der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Beschwerdeverfahren notwendigen Auslagen der Antragstellerin. Die Antragstellerin trägt 20 % der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Beschwerdeverfahren notwendigen Auslagen des Antragsgegners. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für notwendig erklärt.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten im Nachprüfungsverfahren und im Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB selbst.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 04.10.2022 Leistungen zur Schülerbeförderung im Kreis aus. Die Vertragslaufzeit soll von August 2023 bis August 2029 dauern. Sie soll einmalig um 24 Monate verlängerbar sein. Ausgeschrieben wurden drei Lose für die drei anzufahrenden Schulen.

In Ziff. 1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe wird darauf hingewiesen, dass einige Kinder wegen Anfallsleiden oder unberechenbaren Verhaltensweisen eine individuelle Begleitung auch während der Busfahrt benötigten. Die Bieter konnten nach Ziff. 2 Angebote für eines oder mehrere Lose abgeben. Gaben sie Angebote für alle drei Lose ab, konnten sie daneben auch ein Gesamtangebot abgeben. Nach Ziff. 4 war der anliegende Verkehrsvertrag als Vertragsgrundlage anzuerkennen. Der Zuschlag sollte nach Ziff. 3.6 auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen. Dazu sollte eine Wertungssumme in einem anliegenden Kalkulationsblatt errechnet werden. Nach Ziff. 4.2 waren im Kalkulationsblatt die Fahrzeugtypen, deren Anzahl und deren Kapazität anzugeben. Änderungen an dem Kalkulationsblatt waren nicht zulässig. Tourenpläne waren nicht einzureichen, jedoch behielt sich der Antragsgegner die Nachforderung vor. Den Zuschlag sollte das günstigste abgegebene Gesamtangebot erhalten, wenn nicht die Summe der günstigsten Einzelangebote darunter lag.

Nach Ziff. 2.1.1 des Verkehrsvertrages ist sicherzustellen, dass für von Sorgeberechtigten oder anderen Institutionen zu stellendes Begleitpersonal in unmittelbarer Nähe zu dem zu befördernden Schüler ein Sitzplatz zur Verfügung gestellt wird. Da bei einem Eintreffen des Transports früher als 15 Minuten vor Unterrichtsbeginn eine Betreuung der Schüler durch die Bediensteten der Schulen nicht gewährleistet ist, hat der Auftragnehmer die Betreuung zu übernehmen, bis das Schulpersonal eintrifft.

Auf die Bieterfrage ID 4 nach dem Begleitpersonal antwortete der Antragsgegner, dass für jedes entsprechend markierte Kind eine Person mitfahre, für jedes Kind jeweils eine Begleitperson vorgesehen sei und diese mit dem Kind ein- und aussteige.

Unter anderem die Antragstellerin und die Beigeladene gaben Angebote jeweils auf alle drei Lose und ein Gesamtangebot ab. Mit Schreiben vom 05.01.2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag auf das Gesamtangebot der Beigeladenen erfolgen solle. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste gewesen.

Die Antragstellerin rügte, der Antragsgegner habe das Angebot der Beigeladenen nicht auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Deren Angebot müsse ausgeschlossen werden, weil es inhaltlich von den Vergabeunterlagen abweiche. Nach Zurückweisung der Rüge stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekamme...

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