Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen der „Eigengefährdung” bei einer chronifizierten Schizophrenie ohne Selbstmordgefahr.

2. Zur Eignung der Unterbringung für eine notwendige Untersuchung („CCT”)

3. Zur Verhältnismäßigkeit von Unterbringung und Zwangsbehandlung im Verlauf einer unbehandelten chronischen Schizophrenie.

 

Normenkette

BGB § 1906 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Aktenzeichen 4 T 144/03)

AG Itzehoe (Aktenzeichen 42 XVII T 3072)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der 28-jährige Betroffene ist seit Mitte der neunziger Jahre an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt, die inzwischen chronischen Charakter hat. Er wohnte noch bei seinen Eltern in W., als im Jahr 2000 (vom 15.5.–27.6.) die erste geschlossene Unterbringung im Kreiskrankenhaus E. notwendig wurde. Die damit verbundene stationäre Behandlung führte unter neuroleptischer Medikation zu einer vollständigen Rückbildung der psychotischen Symptomatik. Da der Betroffene jedoch alsbald die empfohlene fachpsychiatrische ambulante Behandlung abbrach und auch die verordneten Medikamente nicht mehr einnahm, kam es wieder zu dem früheren krankheitsbedingten sozial unverträglichen Verhalten, das die Eltern im September 2000 veranlasste, die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung für ihren Sohn anzuregen. Noch vor einer Entscheidung in diesem Verfahren wurde am 5.10.2000 erneut die geschlossene Unterbringung des Betroffenen angeordnet. Anlass waren Gewaltdrohungen gegen seine Mutter und die Zerstörung mehrerer Kommunikationsgeräte einschl. dazugehöriger Möbel im Elternhaus. Mit Beschluss vom 16.10.2000 bestellte das VormG den Beteiligten zum hauptamtlichen Betreuer für die Aufgabenkreise „Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung und Vertretung ggü. Behörden pp.”.

Die stationäre Behandlung während der zweiten Unterbringung führte ebenfalls zu einer befriedigenden Rückbildung der psychotischen Symptomatik. Außerdem konnte für die Zeit nach dem Ende der Unterbringung am 13.12.2000 für den Betroffenen eine Unterkunft in der therapeutischen Wohngemeinschaft der Brücke in I. und eine kontinuierliche nervenärztliche Behandlung einschl. neuroleptischer Medikation organisiert werden. Am 26.5.2001 berichteten die Eltern, dass ihr Sohn seit Mai zwar wieder zuhause wohne, es ihm aber bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme den Umständen entspr. gut gehe. Auch a.E. des Jahres berichtete der Beteiligte unter dem 4.12.2001, dass sich die Situation des Betroffenen stabilisiert habe und dass die Betreuung auf den Aufgabenkreis „Gesundheitssorge” eingeschränkt werden könne.

Im Juni 2002 kam es dann nach dem Absetzen des bis dahin verwendeten Depot-Neuroleptikums zu einer erneuten Verschlimmerung der Krankheit. Ein Papierfeuer auf dem Schreibtisch des Betroffenen führte zu seiner erneuten Einweisung in die geschlossene Unterbringung durch den Beteiligten. Diese genehmigte das VormG mit Beschluss vom 1.7.2002 bis zum 12.8.2002 und beschloss zugleich, den Aufgabenkreis des Betreuers auf die „Entscheidung über die geschlossene Unterbringung” und die „Vermögenssorge” zu erweitern mit einer Überprüfungsfrist bis 30.6.2004. Hiergegen beschwerte sich der Betroffene unter dem 8.7.2002. Anschließend gelang es ihm, aus der geschlossenen Abteilung zu entfliehen und – nach eigenen Angaben – eine Reise nach Mallorca zu machen. Auf Antrag des Beteiligten und nach Einholung des ärztlichen Gutachtens vom 9.8.2002 verlängerte das VormG durch Beschluss vom 12.8.2002 die Genehmigung der Unterbringung bis zum 30.9.2002. Auch hiergegen beschwerte sich der Betroffene – inzwischen ins elterliche Haus zurückgekehrt – mit Schreiben vom 28.8.2002. Darin wies er vor allem auf die für ihn nicht annehmbaren Nebenwirkungen der Medikamente und auf die Tatsache hin, dass ihm das Medikament während der letzten Unterbringung gewaltsam beigebracht worden sei (dazu gibt es einen Vermerk des VormG für den Beteiligten vom 19.7.2002, wonach die von diesem auf Veranlassung der behandelnden Ärzte beantragte Genehmigung für eine Zwangsmedikation gesetzlich nicht vorgesehen sei, er als gesetzlicher Vertreter einer nicht „einsichtsfähigen” Person vielmehr befugt sei, in eine solche Zwangsbehandlung einzuwilligen).

Auf Betreiben des Beteiligten wurde der Betroffene dann am 13.9.2002 nach richterlicher Anhörung erneut untergebracht. Über sein Verhalten in den Tagen davor gibt ein schriftliches Protokoll der Mutter, das sie bei der Anhörung überreichte, Auskunft. Mit Beschluss vom 13.9.2002 genehmigte das VormG außerdem die Unterbringung bis zum 4.11.2002. Auf die nochmalige Beschwerde des Betroffenen vom 19.9.2002 wies das LG nach Anhörung des Betroffenen durch die Vorsitzende der Kammer als beauftragte Richterin und nach gutachtlichen Äußerungen des behandelnden Oberarztes alle Beschwerden des Betroffenen durch Beschluss vom 24.9.2002 zurück. Die Psychose berge ohne die regelmäßige Einnahme von Medikamenten die Gefahr der Eigen- und Frem...

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