Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Kindesvater der Kindesmutter eine umfassende Vollmacht zur Regelung der Angelegenheiten des gemeinsamen Kindes erteilt und kam es bisher nicht zu erheblichen Streitigkeiten betreffend die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts, fehlt es an den Voraussetzungen für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge.

2. Der bloße fehlende Kontakt zwischen dem Kind und dem Kindesvater sowie der Wunsch des Kindes auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter reichen für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge dann nicht aus.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Lübeck (Beschluss vom 28.11.2011; Aktenzeichen 126 F 316/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Lübeck vom 28.11.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Kindesmutter hat in der Sache keinen Erfolg.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Kindesmutter hat keine hinreichende Erfolgsaussicht, § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO.

Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, wenn es dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßgebend ist dabei, ob zwischen den Kindeseltern ein Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft besteht, um wesentliche Frage betreffend das Kind gemeinsam entscheiden zu können. Darüber hinaus muss sich diese fehlende Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft negativ auf das Kindeswohl auswirken (Palandt/Diedrichsen, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1671 Rz. 20 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar besteht zwischen dem Kindesvater und dem Kind und wohl auch zwischen den Kindeseltern seit längerer Zeit kein Kontakt mehr. Dies allein ist allerdings für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht ausreichend (vgl. OLG Dresden FamRZ 2002, Seite 973).

Im vorliegenden Fall sind jedenfalls erhebliche für das Kindeswohl abträgliche Auswirkungen nicht festzustellen. Denn zum einen ist es zu erheblichen Streitpunkten zwischen den Kindeseltern im Hinblick auf Angelegenheiten der gemeinsamen elterlichen Sorge bisher nicht gekommen. Zwar dürfte dies insbesondere daran liegen, dass eine Bevollmächtigung erteilt wurde.

Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist dies jedenfalls als mildere geeignetere Maßnahme im Vergleich zur Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge und den damit verbundenen Eingriff in das Elternrecht des Kindesvaters anzusehen.

Soweit die Kindesmutter vorträgt, dass beim Kind psychosomatische Reaktionen festzustellen seien, wenn Schreiben eintreffen, die an beide Elternteile adressiert sind, vermag dieser Vortrag eine Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht zu begründen. Zum einen ist dieser Vortrag nicht weiter konkretisiert worden. Darüber hinaus kann den von der Kindesmutter behaupteten psychosomatischen Reaktionen einfach dadurch entgegengetreten werden, indem das Kind die an die Eltern adressierte Post nicht erhält.

Auch der Wunsch des Kindes, keinen Kontakt mehr zum Vater zu haben, führt nicht zwingend dazu, die gemeinsame elterliche Sorge aufzulösen. Zwar dürfte es im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge regelmäßig notwendig sein, dass der jeweilige Elternteil insbesondere bei fortgeschrittenem Alter des Kindes Dinge von Bedeutung auch mit dem Kind bespricht. Diese Problematik stellt sich im vorliegenden Fall allerdings schon deshalb nicht, weil die Kindesmutter aufgrund der erteilten Vollmacht alle wesentlichen Dinge allein entscheiden kann. Im Übrigen ist der Kindeswille zwar im Rahmen einer Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Der bloße Wunsch vermag allerdings nicht das Fehlen der Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu ersetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2902811

FamRZ 2012, 1066

NJW-RR 2012, 520

MDR 2012, 351

FamFR 2012, 163

FamRB 2012, 210

ZKJ 2012, 228

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