Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Dreipersonenhaushalt im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts. Heranziehung der Wohngeldtabelle wegen Erkenntnisausfalls

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten muss in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren erfolgen und auf einer validen Datengrundlage beruhen.

2. Die überproportionale Berücksichtigung der Bestandsmieten von SGB II-Empfängern, ohne dass dieser Aspekt im Methodenbericht Berücksichtigung findet, verstößt gegen das Transparenzgebot.

3. Mietverträge, die älter als vier Jahre sind bzw. die länger als vier Jahre keine Änderung erfahren haben, lassen keine sicheren Schlüsse über das aktuelle Mietniveau zu.

4. Für die Erstellung eines Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist eine nachvollziehbare Nachfrageanalyse für die einzelnen Haushaltsgrößen unter besonderer Berücksichtigung der Eigentumsquote notwendig.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Unterkunftskosten, hier für den Zeitraum von September 2012 bis Februar 2013.

Der am ... . ... 1969 geborene Kläger zu 1), die am ... . ... 1971 geborene Klägerin zu 2) sowie die am ... . ... 2009 geborene Klägerin zu 3) bezogen in Bedarfsgemeinschaft laufende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnten seit dem 1. Januar 2012 in Bü. eine Doppelhaushälfte in der ... Straße ... zu einer Bruttokaltmiete in Höhe von 520,00 EUR (450,00 EUR netto kalt zuzüglich 70,00 EUR Betriebskosten zuzüglich 60,00 EUR Heizkosten, Mietvertrag vom 13. November 2011).

Antragsgemäß bewilligte der Beklagte den Klägern die Weiterbewilligung ihrer Leistungen mit Bescheid vom 3. August 2012 für den hier streitigen Zeitraum. Hierbei legte der Beklagte als monatsrelevante Miete einen Betrag von 354,00 EUR zuzüglich 70,00 EUR Nebenkosten, gesamt 424,00 EUR der Berechnung zugrunde. Hiergegen wandten sich die Kläger mit Widerspruch vom 20. August 2012, weil der Beklagte nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten, sondern lediglich den sich aus § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) ergebenden Betrag zugrunde gelegt habe. Dieser Widerspruch wurde vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der sich für den Wohnort ergebende Betrag angemessener Aufwendungen betrage maximal 408,00 EUR. Ansonsten wurde auf die im Klagverfahren zum erstinstanzlichen Verfahren S 24 AS 746/12 am 10. September 2012 vorgelegte Wohnraumanalyse verwiesen (Parallelverfahren L 3 AS 110/15).

Hiergegen haben die Kläger am 11. Oktober 2012 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben und ihr Begehren auf höhere Unterkunftskosten weiter verfolgt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die vorgelegte Wohnmarktanalyse nicht zur Grundlage der Ermittlung der Angemessenheitsobergrenze gemacht werden könne, da diese nicht den Vorgaben des Bundessozialgerichts entspreche. Ein schlüssiges Konzept liege nicht vor, es fehle bereits am methodischen Ansatz. Denn die berücksichtigten Gemeinden eines Wohnmarkttyps verteilten sich über das gesamte Untersuchungsgebiet, was der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Bestimmung des Vergleichsraumes widerspreche. Zudem sei keine Erhebung des Wohnungsmarktes in seiner Gänze abgebildet, da sämtliche Wohnungen mit einer Fläche von weniger als 25 qm von der Erhebung ausgeschlossen worden seien. Auch beruhe die Wohnungsmarktanalyse ausschließlich auf der Ermittlung von Bestandsmieten, was jedoch nicht geeignet sei, den Markt für Neuvermietungen zutreffend abzubilden. Die Betriebskosten seien nicht schlüssig einbezogen, da diese von Vermietern in unterschiedlicher Höhe erhoben würden. Das Sozialgericht Dessau-Roßlau habe in seiner Entscheidung vom 17. August 2012 - S 11 AS 2430/11 - sich ebenfalls mit dem Konzept der Firma A. & K. (im Folgenden: Firma A & K) auseinandergesetzt und die Wohnungsmarktanalyse für nicht überzeugend bewertet. Auf diese Entscheidung werde Bezug genommen. Es sei wegen der Mietobergrenze daher auf § 12 WoGG zurückzugreifen und zusätzlich ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu gewähren.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2013 hat der Beklagte einen Änderungsbescheid erlassen betreffend die Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 28. Februar 2013 wegen Anrechnung des Arbeitslosengeldes I der Klägerin zu 2) auf den Bedarf. Des Weiteren ergingen unter dem 18. März 2013 Rücknahme- und Erstattungsbescheide sowohl gegenüber dem Kläger zu 1) als auch gegenüber den Klägern zu 2) und 3) wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld I durch die Klägerin zu 2) seit April 201...

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