Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. Sparguthaben. verdecktes Treuhandvermögen. Treuhandverhältnis. strenge Anforderungen. Beschränkung der Verfügungsmacht. mündliche Vereinbarung. Rückforderung von Arbeitslosenhilfe. Schriftform. Mitwirkungspflicht. Scheingeschäft. TCMB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Eigenkonten gilt zunächst die Vermutung, dass derjenige, der ein Konto auf seinen Namen errichtet, auch der Inhaber der Forderung ist. Eine hiervon abweichende Zuordnung des Geldvermögens kann durch Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses erfolgen. Da es sich um eine Angelegenheit in der Sphäre des Klägers handelt, trifft ihn eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Aufkärung des Sachverhalts und der Beschaffung der erforderlichen Beweismittel. Das Treuhandverhältnis muss nicht schriftlich vereinbart sein. Die bloße Behauptung einer mündlichen Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder genügt den Anforderungen regelmäßig nicht.

2. Ein Scheingeschäft i.S.v. § 117 BGB liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Treuhandgeber und der Treuhandnehmer die mit der Treuhandabrede verbundenen Rechtswirkungen (z.B. höhere Zinsgewinne der bei der TCMB angelegten Kapitalanlagen) eintreten lassen wollen.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis tatsächlich gegeben ist, sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl BSG vom 13.9.2006 - B 11 A AL 19/06 R und BFH vom 15.7.1997 - VIII R 56/93). Eine rechtlich anzuerkennende Treuhänderschaft setzt eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder voraus, aus der sich eindeutig ergeben muss, dass die mit der rechtlichen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers in einem Maße eingeschränkt ist, dass die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint. Wesentliches Kriterium für eine von der Zivilrechtslage abweichende Zurechnung eines Wirtschaftsgutes ist daher ua die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes.

2. Zum Vorliegen eines Treuhandverhältnisses durch mündliche Vereinbarung zwischen Arbeitslosem und im Ausland lebendem Schwager über die Anlage von Fremdgeldern auf dem Konto des Arbeitlosen zwecks Erzielung höherer Zinsgewinne. .

 

Normenkette

SGB III § 330 Abs. 2, § 335; SGB X §§ 45, 50; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 159 Abs. 1 S. 1; BGB § 117

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 22. August 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2004 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten, auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 31. März 1995 bis 31. Mai 1999 in Höhe von 38.746,87 EUR.

Der ... 1963 in der T. geborene Kläger war vom 1. März 1989 bis 31. März 1994 als Schweißer bei der Firma K. V. GmbH in K. beschäftigt. Seit März 1999 ist er deutscher Staatsangehöriger. Er ist seit Juli 1989 verheiratet und Vater von zwei Kindern. Der Kläger meldete sich am 16. März 1994 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg), das ihm die Beklagte antragsgemäß ab 1. April 1994 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 30. März 1995 bewilligte. Am 21. März 1995 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Alhi. Die Fragen zum Vorhandensein von Vermögen (Bargeld, Bankguthaben, Sachwerte, Wertpapiere, Kapitallebensversicherungen, Bausparverträge, Grundstücke) beantwortete er im Antragsformular und in den Folgeanträgen vom 13. März 1996, 20. März 1997, 6. Februar 1998 und 4. Februar 1999 mit “nein„. In seinen Leistungsanträgen bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Auf Vorhalt der Beklagten vom 4. März 1998, dass ihr vom Bundesamt für Finanzen mitgeteilt worden sei, dass für ihn ein Freistellungsauftrag für Kapitalerträge gespeichert worden sei, gab der Kläger unter dem 5. März 1998 an, seit dem 1. August 1992 einen Kapitallebensversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von 14.668,00 DM und einer bisher eingezahlten Summe von 6.800,00 DM zu haben. Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 31. März 1995 bis 31. Mai 1999 Alhi (Bescheide vom 29. März 1995, 9. Januar 1996, 19. März 1996, 9. Juli 1996, 29. August 1996, 7. Januar 1997, 2. April 1997, 8. Juli 1997, 13. Januar 1998, 24. Februar 1998, 28. Juli 1998, 13. Januar 1999 und 4. März 1999). Ab 1. Juni 1999 meldete sich der Kläger wegen Aufnahme einer Arbeit aus dem Leistungsbezug ab.

Aufgrund von Ermittlungen der Gemeinsamen Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt K.-Süd wurde der Beklagten im April 2003 bekannt, dass der Kläger am 4. A...

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