rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wissenszurechnung im Rahmen des § 130 InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

Mangels Pflicht zum ämterübergreifenden Informationsaustausch ist eine Wissenszurechnung im Rahmen des § 130 InsO zwischen zwei demselben Ministerium nachgeordneten Ämtern nicht gerechtfertigt.

 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1, §§ 69, 191 Abs. 1 S. 1; InsO § 130; BGB § 166; FGO § 69 Abs. 3

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller zu Recht als haftende Person für nicht abgeführte Lohnsteuer (LSt), Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag nebst Säumniszuschlägen in Anspruch genommen worden ist. Im vorliegenden Eilverfahren begehrt der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des mit dem Einspruch angefochtenen Haftungsbescheides.

Der Antragsteller war alleiniger Geschäftsführer der inzwischen insolventen X Baugesellschaft mbH. Diese Gesellschaft hatte im Jahr 2003 als Auffanggesellschaft den Geschäftsbetrieb der Firma X GmbH übernommen. Dem Geschäftszweck entsprechend befasste sich die Baugesellschaft mit der Herstellung und dem Vertrieb von ... . Die Gesellschaft wurde lohnsteuerlich bei der Antragsgegnerin, umsatzsteuerlich bei dem Finanzamt A geführt.

Für die Monate Januar bis Juli 2004 gab die Gesellschaft die LSt-Anmeldungen verspätet ab. Für die Monate Februar bis Juli 2004 setzte der Antragsgegner insoweit Verspätungszuschläge fest. Aufgrund ebenfalls verspäteter Zahlungen der angemeldeten LSt-Beträge entstanden für die Monate ab März 2004 bis zur Insolvenzeröffnung (1. Juni 2005) Säumniszuschläge.

Mit Schreiben vom 7. und 10. November 2004 beantragte die Baugesellschaft bei dem Finanzamt A Ratenzahlung für die rückständige Umsatzsteuer (USt) der Monate Juli, August und September 2004. Nach Verlängerungsantrag mit Schreiben vom 6. Januar 2005, der auch die USt-Zahllast für den Monat Oktober 2004 beinhaltete, zahlte die Baugesellschaft in der Zeit von Mitte Januar bis Mitte März 2005 in mehreren Raten die rückständige USt für die Monate Juli bis September 2004 in Höhe von rund 215.000 EUR. Die angekündigte Rate für die USt Oktober 2004 blieb offen. Auf den Inhalt der zur Gerichtsakte gereichten Schreiben der Baugesellschaft wird Bezug genommen. Eine bereits am 4. Januar 2005 von dem Finanzamt A bei der Sparkasse ausgebrachte Kontenpfändung verlief erfolglos.

Mit einem am 11. März 2005 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben beantragte der Antragsteller als Geschäftsführer der Baugesellschaft, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma wegen Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen. Mit Beschluss vom gleichen Tage bestellte das Amtsgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO). Mit Beschluss vom 1. Juni 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. In seinem Bericht gemäß § 156 der Insolvenzordnung (InsO) vom 8. August 2005 attestierte der Insolvenzverwalter der Baugesellschaft Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Nach Anhörung des Antragstellers erließ der Antragsgegner unter dem 30. August 2005 einen Haftungsbescheid gegen den Antragsteller wegen rückständiger LSt, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlägen in Höhe von 32.095,04 EUR. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.

Gegen diesen Haftungsbescheid erhob der Antragsteller fristgemäß Einspruch. Über diesen Einspruch hat der Antragsgegner bisher nicht entschieden.

In der Folgezeit änderte der Antragsgegner den Haftungsbescheid mit Schreiben vom 7. und 25. Oktober 2005 zu Gunsten des Antragstellers auf eine Haftungssumme in Höhe von 16.718,86 EUR ab. Einen mit Schreiben vom 22. November 2005 gestellten Antrag auf AdV lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 2. März 2006 ab.

Zur Begründung seines in diesem Verfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten AdV-Antrages trägt der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vor:

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners lägen die Voraussetzungen einer anfechtbaren Rechtshandlung im Hinblick auf die Abführung von LSt in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der LSt sei die X Baugesellschaft mbH zahlungsunfähig gewesen. Hiervon habe der Antragsgegner Kenntnis gehabt. Zumindest habe er Umstände gekannt, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Baugesellschaft hingedeutet hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei es für die Kenntnis der Zahlungseinstellung und somit der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ausreichend, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss ziehen könne, dass der Schuldner etwa im Zeitraum des nächsten Monats wesentliche Teile der eingeforderten Verbindlichkeit nicht werde tilgen können (Hinweis auf Urteil des BGH vom 3. Dezember 1998, IX ZR 313/97).

Vorliegend habe die Baugesellschaft bereits Stundungs...

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