Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Zur Frage, wann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO ein Steuerschaden entsteht.

2) Bei der Umsatzsteuer ist - anders als bei der Lohnsteuer - die Zahlung an den Fiskus nicht Teil des Leistungsverhältnisses zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer.

 

Normenkette

InsO § 17 Abs 2; AO §§ 69, 34, 191; InsO § 130 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides wegen Umsatzsteuern gegen den Kläger als Geschäftsführer der O. GmbH & Co. KG.

Der Kläger war ausweislich des HR-Auszuges vom 27.7.2006 (HRB 2687 des AG D.) vom 15.8.2001 bis 6.5.2004 alleiniger Geschäftsführer der W. GmbH, die wiederum Komplementärin der O. GmbH & Co, KG (im weiteren kurz O.) mit Sitz in D. war. Die O. firmierte bis zum 31.3.2003 als F. GmbH & Co. KG. Aufgrund eines Ausgliederungsvertrages vom 31.12.2001 wurde auf sie der Betrieb der X. GmbH & Co übertragen. Die Eintragung der Ausgliederung erfolgte in den Handelsregistern der beteiligten Gesellschaften am 4.3.2002.

Im Jahr 2002 kam es wiederholt zu Lastschriftrückgaben gegenüber dem Antragsgegner hinsichtlich fälliger Umsatz- und Lohnsteuerzahlungen. Ausweislich der übersandten Kontoauszüge für Lohnsteuer und Umsatzsteuer 2002 war dies für die Monate März/April/Juni 2002 bezüglich Lohnsteuer und für die Monate März/April/Mai/Oktober/November 2002 bezüglich Umsatzsteuer der Fall. Herr I., seit 2001 kaufmännischer Leiter der W. GmbH, nahm 2002 an einem Stundungsgespräch bei dem Antragsgegner teil. Im Oktober 2002 wurde eine Stundung der Umsatzsteuervoranmeldung beantragt und bewilligt.

Für August bis November 2002 wurden die Löhne nur zu 50% gezahlt. Der Rest wurde im jeweiligen Folgemonat beglichen. Die Lohnsteuern hierauf sind entrichtet worden. Dieser Vorgang ist dem Antragsgegner bekannt gewesen.

Am 7.4.2003 wurde für die O. Insolvenzantrag gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.5.2003 eröffnet. Im vorliegenden Auszug aus dem Insolvenzbericht heißt es:

„Wegen weiterer Einzelheiten zu den betriebswirtschaftlichen Gründen der Insolvenz darf an dieser Stelle zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Bericht im „Parallelverfahren” über das Vermögen der D. AG (AZ: xxxx) verwiesen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass bereits seit Anfang 2002 in steigender Intensität die geplante Fusion tatsächlich durchgeführt worden ist, sind auch die betriebswirtschaftlichen Insolvenzgründe nahezu identisch”.

In den Umsatzsteuervoranmeldungen der O. für das Jahr 2002 waren Vorsteuerbeträge in Höhe von 95.016,04 Euro geltend gemacht worden, die – was zwischen den Parteien unstreitig ist – bei der X. GmbH & Co. KG geltend zu machen waren. Durch Schreiben vom 31.3.2004 wurde dieser Sachverhalt seitens der O. dem Beklagten als Erläuterung zu der eingereichten berichtigten Umsteuererklärung 2002 der O. mitgeteilt. Ein daraufhin vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STRAFA-FA) N. am 13.6.2005 eröffnetes Bußgeldverfahren wegen leichtfertiger Umsatzsteuerverkürzung und leichtfertiger Lohnsteuerverkürzung gegen den Antragsteller endete nach Erörterung mit dem Prozessvertreter mit einem Bußgeldbescheid über 2.000 Euro. Ausweislich eines Vermerkes des STRAFA-FA vom 15.7.2005 war „der Betr. (…) demnach im Sinne des Tatvorwurfes geständig.”.

Mit dem bereits erwähnten Schreiben vom 31.3.2004 reichte die O. außerdem USt-Voranmeldungen für die Monate Januar bis April 2003 ein. Für Januar 2003 lag ausweislich des Überwachungsbogens vom 14.1.2004 (Bl. 7 d. Haftungsakte) seit dem 18.2.2003 eine Umsatzsteuervoranmeldung vor. Als Mahndatum für Januar 2003 ist dort der 13.3.2003 genannt. Ob für Februar 2003 eine Umsatzsteuervoranmeldung vor Eröffnung des Insolvenzantrages eingereicht worden ist, ist den vorliegenden Steuerakten nicht zu entnehmen. Der Überwachungsbogen weist für diesen Monat einen Eingang am 11.6.2003 aus.

Im Rahmen der Haftungsprüfung gegen den Antragsteller ging der Antragsgegner zunächst von einem Beginn des Haftungszeitraums vom 10.2.2003 bis 7.4.2003 aus. Aufgrund der eingereichten Summen- und Saldenlisten für diesen Zeitraum errechnete er eine qoutale Tilgung von 37,52%. Summen- und Saldenlisten für 2002 forderte der Antragsgegner nicht an.

Ausweislich der vorliegenden Auszüge aus dem Bericht des Insolvenzverwalters lagen bei der O. vor Insolvenzeröffnung Abstimmungsprobleme in der Buchhaltung vor, die zumindest auch aus der Fusion der F. mit einer D. AG herrührten. In diesem Bericht ist die Rede davon, dass die Volksbank D. eine der beteiligten Banken bei dieser Fusion war.

Durch Bescheid vom 19.10.2005 nahm der Antragsgegner den Antragsteller in Höhe eines Betrages von 129.000,74 Euro aufgrund seiner Position als alleiniger Geschäftsführer der O. bis zur Insolvenzeröffnung in Haftung. Diese Haftung umfasste die aufgrund von zwei Berichtigungen der Umsatzsteuer 2002 berechnete Zahllast der O. von 106.643,17 Euro nebst Säumniszuschlägen bis zur Insolvenzant...

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